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Am Zapfhahn der Erleuchtung

■ Ausstellung der MeisterschülerInnen '92 der HfK im Forum Langenstraße / Der Stand der Dinge in der Kunst auf bremisch / Alles da

Barbara Thiel, intensiv blau, Video, s/w + col, 13 min, 1993

MeisterschülerIn zu sein, das ist schon eine feine Sache. Rechtschaffen klingt das, ein wenig altmodisch und nach Handwerk. SchülerIn des Meisters, wow. Die Meister heutzutage, die sind Kunst-Professoren, Kreativitätslehrer sozusagen, angesiedelt irgendwo im Goldenen Schnitt zwischen Guru, Zen- und Handwerks-Meister. Sie tragen Namen wie Waller, Otto, Altenstein oder Thiele. Oder auch andere. Zu ihren MeisterschülerInnen zu gehören ist eine Ehre, sie werden unter den BewerberInnen, die den branchenüblichen Studienabschluß geschafft haben, handverlesen und dürfen noch ein weiteres Jahr von der Weisheit ihrer Meister schöpfen. Danach geht es hinaus in die feindliche Welt, die des Kunstmarkts (für wenige), des knappen Geldes (für die meisten) und des großen Unverstandenseins (für alle).

hierhin

Bremens MeisterschülerInnen des vergangenen Jahres, zehn Stück KünstlerIn, haben nun von der Hochschule die Gelegenheit geschenkt bekommen, ihren künstlerischen Stand im Forum Langenstraße zu präsentieren. Und siehe da, mit Hilfe einer Hängekommission aus drei Meistern haben die SchülerInnen in den großartig großen Räumlichkeiten eine Ausstellung zusammengebastelt, die sich in ihrer zehnfachen Vielfältigkeit durchaus sehen lassen

hierhin

das

vasenförmige

teil

Knut Eckstein, Fig. 130/d901, Material: Pappe, 130x90x90, 1991

kann. Geräumig ist sie aufgebaut, so daß die einzelnen Arbeitsgruppen den nötigen Raum haben, daß sie nebeneinander stehen können, sich gegenseitig zu kommentieren, ohne sich um die Aufmerksamkeit zu rangeln oder sich die Wirkung zu stehlen.

Dabei leugnet diese Ausstellung überhaupt nicht, daß sich die Kunst, wie sie derzeit in Bre

die kette

men an der Hochschule entsteht, an sehr unterschiedlichen Positionen der Gegenwartskunst andockt. Da gibt es zum einen die figürlich-erzählerischen Plastiken (Jana Grzimek, Eberhard Szejstecki) die deutlich auf die sozialistisch-realistischen Gründerjahre der bremischen Kunst- Gegenwart zurückweisen. Andere beschäftigen sich in Reihen von Wandarbeiten, in Zeichnungen und Gemälde-Collagen, in düsterer (Ulf Meyer) oder auch luftiger (Jens Bommert) Farbgebung mit der Unzuverlässigkeit menschlicher Verständigungssysteme, mit dem Spiel von Verschwinden und Erscheinen, von Verwischtheit und Deutlichkeit und der Sinnleere der sinnstiftenden Zeichen. Wiederum andere versuchen den Spagat zwischen einer cleanen, industrialisierten Formensprache und Materialwahl einerseits und andererseits Vorstellungswelten, die die Wirklichkeit des Blicks in Frage stellen (Monika Meinold) oder sich an den Wachstumsformen der Natur orientieren (Veronika Maier). Nancy Tabare sammelt und malt und klebt und schafft so eine Vielzahl formal unterschiedlicher, gleichformatiger Facetten, die erst in ihrer Widersprüchlichkeit und Vielfalt zu einer Bedeutung kommen. Mit dem Zufallswert schneller Schnitte und Formassoziationen, die sich der Nachgiebigkeit seiner Papp- Körper sperren, mit der Spannung zwischen ihrer materialbedingten Rest-Unklarheit und den technischen Urahnen seiner vasenförmigen Hohlkörper

aus den

spielt der zum Papp-Bildhauer konvertierte Maler Knut Eckstein. An einem ähnlichen

Monika Meinold, o.T., Gesamtdurchlauf des Theaterstücks „Frida Kahlo“, Mischtechnik auf 14 Acrylplatten und Leuchtstoffröhren im Sockel je 30x42 cm, gesamt 150x42x74 cm, 1992

Punkt, dem Scheidepunkt von Funktion und Unbenutzbarkeit, setzen die absurden Möbel

augenbildern

Wolfgang Ludewigs an, die er zu einem verquerem Raum inklusive Beschallung kombiniert

hierhin bitte

den schwarzen

hintergrund

mit den kastenförmigen

strichen davor

hat. Ein mächtig pulsierendes 13-Minuten-Video von Barbara Thiel schließlich ist der einzig

konsequente Versuch, die Neuen Medien in die Geographie der Kunst einzubeziehen. Unterlegt mit einem schwer verdaulichen, einfühlsam zerbrechlichen Gitarren-Soundtrack, verschlingt er in seinem Puls nicht nur das Raum-Zeit-Kontinuum sondern die Vorstellung der einheitlichen Wirklichkeit insgesamt.

Der Eindruck, der jedoch überwiegt bei all den verschiedenen Arbeitsweisen, bei den verkappten AltmeisterschülerInnen und den NeumeisterschülerInnen ist ein vergleichsweise ungebrochener Umgang mit dem System Kunst insgesamt. Es werden echte Werke produziert, weil sich in ihnen die echte Inspiration echter Künstler ausdrückt. Und diese von der Spreu der HochschulabsolventInnen zu trennen, dazu ist das Meisterschülerwesen schließlich da. step

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