Wand und Boden: Komplex, aber irgendwie unnütz
■ Kunst in Berlin jetzt: Wasser, Wannen, Öl und Holz
Eine Installation mit Blechwannen und Wasser weckt unweigerlich Assoziationen an die powere und land-artistische Kunst der siebziger Jahre. Dabei ist Wasser als gestalterisches Mittel in der Darstellung nicht allzu ergiebig, meist erhebt es sich vielmehr über jeden Kunstgriff, indem es seinem eigenen Fluß folgt. Wasser hat ja bekanntlich keine Balken. Bei Gregg A. Schlanger beschleunigt sich das wiederkehrende Gleichnis im Kreislauf des Elements. Über sieben Zinkwannen wird ein Bach im Innenhof vor der Galerie Neue Räume umgeleitet, wobei das Wasser sich langsam in tiefergelegene Wannen aus Fensterhöhe bis knapp über dem Boden ergießt. Unten angekommen pumpt es ein kleiner Motor aus dem letzten Sammelbecken wieder in die Höhe: Komplex, aber irgendwie unnütz.
Drinnen an der Galeriewand ist das System einleuchtender als im Garten. Drei Rauminstallationen wässern ungleich wilder, und durch verschieden große Pflastersteine als Stopper in den einzelnen Wannen erzeugt das stürzend aufprallende Wasser ein ständig aggressiver anschwellendes Geräusch, je höher, schneller und weiter der kleine Fluß transportiert wird. Das Rauschen legt sich taub auf die Ohren, und nach wenigen Minuten meint man die Frische der Quelle zu wittern, dabei ist alles nur Wunsch oder eine abgenötigte Erinnerung an die abwesende Natur. Denn das Wasser ist seit der Vernissage zwei Wochen lang unermüdlich am Zirkulieren und trotz der ständigen Bewegung inzwischen abgestanden. Die Installation verspricht mit dem Titel 5 Foot Trout, New Rivers, New Dreams Illusionen, beruft sich aber auf gegenwärtigende Phänomene – und merkwürdig quere Angelfantasien: Zusätzlich zum Wasserspiel hat Schlanger fünf Forellen aus dem Lehrbuch abgemalt und über die Sturzbäche gehängt. Die Mainzelmännchen hätten eine Angel mit in die Ausstellung gebracht, aber ein Philosophiebändchen zur Ontologie tut's auch.
Bis 6.8, Lindenstraße 39, Mo–Fr 10–19 Uhr
Die Selbstinszenierung von Ute Pleuger ist prächtig: Auf 120 qm Etagenfläche im verglasten Verwaltungsgebäude der Schering AG breitet die Malerin ihr ×uvre wie eine Retrospektive aus. Schon die Glasvitrine, in der breit gestreut Kataloge der Frauenförderung, Reader und düstere Experimentalbücher ausliegen, ist sehenswert. Doch die Arbeit von Pleuger leitet sich nicht von den Trends der Post-Musealisierung her. Zuletzt lag ihr Interesse bei Linolschnitten von Einfamilienhäusern, die gleich in ganzen Zyklen grob schwarzweiß gedruckt aushängen. In Öl sind die alltäglichen Motive noch kühler realistisch – Balkons, Fassaden, Wohnblöcke, Mietskasernen, alles in Serien. Eigentlich ein gutes Motiv für Minimal-Art-Ausläufer, als Kontrapunkt zur Ironie der Markise bei Buren, als Subversion von marzahnigem Low- Life gegenüber dem High-Class- Bauen-Wohnen-Denken made in Kreuzberg by IBA. Doch für den Spott ist Pleuger zu sehr Malerin: „Nischen“ heißen die Bilder in Öl und zeigen eine dauerhafte Liebe zu moorbrauner Farbe und der illusionistischen Darstellung von Wandvorsprüngen.
Die kritische, zumindest unbeschönigte Realität bleibt dennoch abstrakt und spiegelt sich wenn, dann selbst. Die Linolschnitte auf Packpapier machen den Reflex auf das Sein, in dem Häuser zu Signifikantenketten aneinandergereiht werden, ohne damit eine nach außen gerichtete Dynamik zu entwickeln. Die Motive ziehen statisch ihre Kreise, bis es einem vor den Augen schwindelig wird. Zwei Gouachen „ohne Titel“ aus dem Jahr 1984 entziehen sich dieser inneren Ordnung. Sie stellen zerklüftet und amorph eine dunkle Häuserzeile dar, die der Betrachter erst einmal zu Ende denken muß – auch wenn sich direkt daneben wieder reißbrettgetreu Wohnwabe auf Wohnwabe türmen und die Bilder selbst wie Ornamente an den Aluminiumsäulen des Mammutbaus befestigt sind.
Bis 31.7., Müllerstraße 178, Mo–Fr 9–16 Uhr
Die Skulpturen der neunziger Jahre, an denen die Galerie Vier ein Exempel für moderne Bildhauerei statuiert, kommen ohne die Materialien aus, an denen man bislang eine Plastik zu erkennen meinte. Kein Stein, kein Stahl, kein Marmor, keine Bronze, nicht einmal Plexiglas – einfach nur Holz, Gips, Gummi und Ideen, mehr Skizzen denn gewichtige Artefakte. Der „haptic transducer“ von Erik Levine beispielsweise vereint das glattgeschmirgelte Konstruktionsgerüst eines in Schaumgummi ausgepolsterten Holzrugby mit sich an den Außenwänden verstrebenden, abstrakt kubischen Fiberglaspfeilern, die an den Spitzen fließend ins Holz übergehen. Das Volumen der traditionellen Skulptur ist überholt, seine kontinuierliche Oberfläche pures Ornament, übrig bleibt ein Netz aus verzweigten molaren Volumina, wozu die Betitelung paßt. Die „greifbare Zwischenstelle“ findet sich bei Harald Richter bearbeitet. „Lovos (Hülse)“ sind vier in Balsaholz nachgeformte Abdrücke einer Handfläche, die Ton oder Knetmasse umschlossen hält. Im Holz bildet sich nur das von der Knete positiv festgehaltene innere Volumen der Hand ab, das sichtbar wird, wenn die Hand als Negativ sich um den Leerraum schließt. Dieses Prinzip hat Richter auf seinen Restkörper übertragen. Für „Twist“ hat er sich vollständig in Gummi abgegossen, den Lappen aufgerollt und an die Wand gehängt. Die Arbeit erschließt sich als (und im) Material: Feine Gummiringe halten die Kautschukhaut zusammengerollt, ihre Funktion wird am Objekt zur Essenz des Materials. Die zweiteilige Arbeit von Bernhard Prinz versucht sich an der Zeichenstruktur – oder wie sonst sollte ein Foto zusammen mit einem überdimensionalen Holzkrug als Skulptur gedeutet werden? Zumindest haben beide kreisrunde Löcher. Beim Foto gibt ein milchig-grünes Glas-Passepartout in der Mitte einen Kreisausschnitt frei, in dessen Mitte ein sehniges Männermodell in Boxershorts kauert. Das Objekt gegenüber ist eine ganz normale Plastik: Das Holzgefäß ist wegen der Vielzahl an gebohrten Löchern für jeden Inhalt völlig nutzlos geworden, aber man kann durch sie auf das gerahmte Foto hindurchblicken, so eine Auslegung. Die visuelle Verbindungslinie hält das paradoxe Raumgefüge zusammen, indem die Installation Raum genau an der Stelle thematisiert, wo er freiliegt, dort, wo bei Paul Virilio der „negative Horizont“ anfängt: zwischen den Dingen. Das war aber eigentlich sein Problem mit der Malerei.
Bis 7.8., Schwedter Straße 263, Di–Fr 14–19 Uhr; Sa 11–15 Uhr Harald Fricke
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