piwik no script img

Wand und BodenVom Charme der rohen Geste

■ Kunst in Berlin jetzt: Ciervo, Kiefer, Zappalorto, Moors, Hauser, Raetz

Die Laus im Pelz als A), B) und C) – wie im Biologiebuch, gewendet und geöffnet, damit man Körperbau und Funktion merkwürdiger Glieder und Freßwerkzeuge erkennt: Das ist der Wegweiser in den Keller der Kunst-Werke. Dort haben Costantino Ciervo, Ottmar Kiefer und Ampelio Zappalorto eine minimale Techno-Installation aufgebaut. Das martialische Gedröhn, das einen beim Eintritt empfängt, rührt wohl vom Getrampel einer Hundertschaft schwerbestiefelter Männer her. Polizisten, Soldaten oder wer auch immer in solcher Formation hörbar in Erscheinung tritt, auf Kommando anhält, scharrt und wieder dröhnt. Den folgenden, langgestreckten Kellerraum markieren an grauen Plastikrohren hintereinander gereihte viereckige, rote Lichter, die unregelmäßig blinken. Entlang der Fenster, die ins Stockdunkle zugemauerter Lichtschächte führen, sind Drähte gespannt, ein Gewirr von Bananensteckern unterbricht die Strecke von Zeit zu Zeit.

Die Zeit wird auch minütlich von einer hohen künstlichen Stimme an verschiedenen Punkten des Raumes angesagt: Es ist jetzt 9 Uhr und 15 Minuten, es ist jetzt 9 Uhr und 16 Minuten. Schalt- und Klingelgeräusche begleiten den Vorgang. Arte povera ist der Begriff, mit dem derlei geringer Aufwand gerne bezeichnet wird. Man hätte ihn auf die banalen Rotlichter beschränken können, die den Charme der ursprünglichen Idee von der kleinen, bescheidenen und – im doppelten Sinne – rohen Geste besitzen, deren Ironie offenliegt. Im Keller liegt es nahe, daran zu denken, daß Laserlichtspiele das Ende jeglichen Undergrounds sind.

„oniscus murarius“, noch bis Ende Juli, Dienstag bis Sonntag 14-18 Uhr, Auguststraße 69, Mitte.

Gleich nebenan, in der Galerie Wohnmaschine trifft man auf die Kunst im hellen Licht des Tages. Das angemessene Licht für Landschaften, wie sie Peter Moors' Zeichnungen und Holzschnitte zeigen. „Landschaft/Stilleben mit Kreuz“ 1994 zieht sich über neun Streifenfelder in die Höhe: Die Maserung des Holzes zuunterst, darüber vier Streifen mit einem stachligen, dünnen, dicht gesetzten Strich-Stakkato, drei Lagen Holzmaserung beschweren und beruhigen es, und schließlich gipfelt die Arbeit in einem undurchdringlichen schwarzen Rechteck, in das von hinten ein Kreuz eingedrückt ist.

Die gestaffelten Ansichten sind nicht traditionelle Studien nach der Natur, sondern Übungen darin, zu sehen, was sich in der Welt der Bilder möglicherweise als Natur, als Landschaft identifizieren läßt. Primär die Horizontale – die kräftigen Schnitte und Aushebungen aus der Holzplatte evozieren die Landschaftsatmosphäre, und doch bleiben die Linien und Striche formales Moment und Mittel, um die Bildfläche in Abstufungen zwischen fettem Schwarz und hellen stark bearbeiteten Partien zu strukturieren. Das rasche Umsetzen der Beobachtung in die Bewegung der Hand, das die Zeichnung in ihrer Funktion als Vorstudie, Skizze begleitet, erweitert Moors in die konstante Betonung der Handbewegung als basalem Produktionsmittel seiner Landschaften.

Bis 28.Mai, Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr; Samstag 11-14 Uhr, Tucholskystraße 34, Mitte.

Moors' Geneigtheit zur Natur wird bei Tobias Hauser umgeformt in jene „Geneigtheit zur Naturphilosophie“, die sich im Titel zur Ausstellung ankündigt. Antik zumindest ist das Verfahren, mit dem Hauser seine fünfteilige Holzschnitzarbeit mit Farbe versieht. Er löst Farbpigmente in Wachs; dieses Enkaustikverfahren, das eine relativ voluminöse Versiegelung der Oberfläche bewirkt, paßt zur deftigen Schnitzstruktur der großen Platten. Zwei orangerote Matratzen fallen zunächst auf, die eine schwarze Tafel beidseitig einrahmen. Darüber hat Hauser einen zweigeteilten Seerosenteich installiert, der in zartem Pastellgrün und violetten Schattierungen unter einer vorgeblendeten Glasplatte irreal, transparent und sehr Monet-mäßig wirkt, wenngleich die kräftigen Stichelspuren diesem Eindruck tatkräftig entgegenwirken.

Bei näherem Betrachten entpuppt sich die linke Matratze als gepolsterte Tür zum „Hauptquartier“, wie es an ihrem unteren Ende eingeschnitten zu lesen ist. Diese Signatur referiert einerseits auf eine Austellung Hausers im letzten Jahr; andererseits – bedenkt man die Orgie kunsthistorischer Arbeiten zu Monets und anderer Künstler Teiche – könnte das eine ironische Anspielung auf ein mögliches Pentagon der Kunst sein. Zumal ein fünftes Schnitzteil die Sache erst vollendet: ein schwarzer Wald von Baumstämmen; mehr naturphilosophisch gesehen, seine technische Metapher, ein schwarzer Kabelbaum. Kommunikative Lebensadern des Hauptquartiers in der Zwinger Galerie.

Noch bis 11.Juni, Dienstag bis Freitag 14-19 Uhr, Samstag 11-14 Uhr, Dresdner Straße 125, Kreuzberg.

„Nonpipe“ ist Markus Raetz' Übersetzung des berühmten Magritte-Verdikts „Ceci n'est pas une pipe“ in eine Blechkurve. „Ceci“ ist bei Raetz immer auch „cela“, wie in der kleinen Installation aus Bronzebuchstaben und einem über Eck gehängten Spiegel zu lesen ist. „Dieses & jenes“, eine kleine Bleistiftfrottage, benennt Raetz' Thema: nämlich beides, Pfeife und Rauch so darzustellen, daß der Skulpturteil, der zunächst als Pfeife erkannt wird, wenig später aber ebensogut als der Rauch einer auf den Kopf gestellten Pfeife kenntlich wird. Analog funktionieren die „Silhouetten“, ein dünnes Metallband auf einem Sockel, bei dem Profil und Haar in der Wahrnehmung umspringen: als Vexierbild oder -skulptur paradoxer Logik, die deutlich macht, daß Konturen eben nicht nur das benennen, was sie einschließen, sondern ebensosehr auch das, was sie aussschließen.

Die bekannteste Arbeit dieser zwischen 1988 und 1992 entstandenen Plastiken ist der bei Franck + Schulte ausgestellte „Kopf“. Eine amorphe, moderne Eisengußform läßt sich je nach Standort als Kopf sehen, wird abstrakte Form, um im nächsten Moment ein menschliches Profil zu zeigen, allerdings auf dem Kopf stehend. Im danebenhängenden Spiegel bleibt der Kopf ein schwarzes Schattenprofil. Ausgetüftelte visuelle Charaden von hohem Irritationsgrad und ebensolchem Unterhaltungswert.

Bis 8. Juli, Montag bis Freitag 11-18 Uhr, Samstag 11-15 Uhr, Mommsenstraße 56, Wilmersdorf.

Brigitte Werneburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen