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Nauka Kirschner verschiebt Worte

Berlin (taz) – Nauka G. Kirschner heißt eigentlich Gisela. Geboren 1957 in Sögel. Ende der siebziger Jahre zieht sie nach Bremen, dann nach Berlin in ein ehemals besetztes Haus in Kreuzberg. Hier lebt sie auch heute noch, doch die Zeit der Hausbesetzung ist längst vergessen. Helle Räume, abgezogene Dielen, im Fernseher läuft ihr Video, überall an den Wänden große Installationen. Plötzlich wandert da ein „ist“ über Bildschirme und Pergamynpapier, durch mathematische Gleichungen und grammatikalische Zeitformen, über Lichtkästen und weiße Flächen. Bis alles irgendwie seinen Sinn verliert. „Ich mache Konzeptionskunst“, erklärt sie und lacht. Knallroter Lippenstift und ein Blick, dem nichts entgeht. Sie schiebt einen Zettel über den Tisch: 1986 Studium an der Hochschule für Künste, Visuelle Kommunikation, Graphik und experimentelle Filmgestaltung. Meisterschülerin bei Professor Jan Lenica. Und dann kommt eine lange Liste von Ausstellungen, Musikhappenings und Filmtiteln.

„ist, sie, er, es –, von ich bin ,sein‘, tatsächlich vorhanden“, steht auf einem großen Kasten an der Wand. Nauka Kirschner nennt ihre Arbeiten wort-werke und findet es anstrengend, ihre verwirrten Betrachter durch den Dschungel ihrer Ideen zu führen. „Vielleicht muß ich erst mal mit den älteren Sachen anfangen“, sagt sie und hat damit völlig recht. Sie verschwindet hinter einem riesigen Sofa und kommt mit einer bleischweren Schieferplatte zurück. Mit Kreide sind seltsame Hieroglyphen draufgezeichnet. Es sieht aus wie ein Tintenfisch, ist aber keiner. Krachend stellt sie das Objekt ab. Es ist Teil einer Klanginstallation, die die verschiedenen Schriftzeichen akustisch nachvollziehbar machen soll. Sie knipst einen Lichtkasten an und aus, läßt Schriftzüge auftauchen und wieder verschwinden, als ob sie in einem Buch blättern würde. Die Kästen hat sie selbst erfunden, „nicht mit Patent, aber mit Gebrauchsmusterschutz“. Natürlich kann Nauka Kirschner von diesen Werken nicht leben. Deshalb arbeitet sie als Graphikerin in einem Atelier und ist auch Gesellschafterin derselben Firma. Hier schiebt sie den ganzen Tag Schrift auf weißen Flächen hin und her. Ihre Lieblingsbeschäftigung sozusagen. „Ist alles ein Spiel“, sagt Kirschner. Wer sich ihre wort- werke aus der Nähe anschauen will, kann das bis zum 13. August in der Galerie „caoc“ tun, Schliemannstraße 33, Berlin/Prenzlauer Berg. Constanze v. Bullion

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