piwik no script img

Sich selbst geschlagen?

■ Berufungsverhandlung gegen acht Polizisten wegen Körperverletzung / Blutergüsse der Zeugin für sie unerklärlich

Claudia D. mußte ihre Aussage immer wieder unterbrechen. Manchmal konnte sie gar nicht sprechen, weil sie von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Die 24jährige Erzieherin mußte gestern vor der 9. Strafkammer des Landgerichtes schildern, was vor viereinhalb Jahren, am 17. Juni 1990, passiert war, als sie nachts mit ihrem Rad in Kreuzberg unterwegs gewesen war. Bereits im Oktober 1993 hatte sie als Zeugin in erster Instanz gegen zehn Polizisten ausgesagt, denen Körperverletzung im Amt vorgeworfen worden war. Dieser Prozeß vor einem Jugendschöffengericht, die Angeklagten waren damals zwischen 23 und 32 Jahre alt, endete trotz eines „unguten Gefühls im Magen“ der Richterin mit einem Freispruch. Die Staatsanwältin, für die zweifelsfrei feststand, daß Claudia D. die Wahrheit gesagt hatte, hatte Berufung eingelegt. Von den zehn Beamten sind nur noch acht angeklagt. Den beiden im Führerhaus sitzenden war zugute gehalten worden, von dem Geschehen möglicherweise nichts mitbekommen zu haben.

Die zierliche Frau, die auch als Nebenklägerin auftritt, schilderte den Vorfall gestern folgendermaßen: Sie sei mit ihrem Fahrrad durch Kreuzberg gefahren und von einer Einsatzbereitschaft angehalten worden, weil sie ohne Licht fuhr. Ein Beamter hätte sie vom Rad gerissen. Da sie keine Papiere dabeihatte, habe sie ihren Namen genannt. Daraufhin habe ein Polizist gesagt: „Eine Ausländerin, das hat uns noch gefehlt.“ Ein Beamter hätte ihr Rad auf den Gehweg geworfen, sie sei „richtig grob angefaßt“ und in die Wanne gehoben worden. Als sie sich im Wagen auf eine Bank setzen wollte, sei sie mit Stiefeln auf den Boden gedrückt worden. Ein Beamter habe ihr mit den Worten „Für so jemand wie dich ist hier kein Platz“ einen Sitzplatz verweigert.

Drei der Angeklagten verweigerten gestern die Aussage. Die anderen fünf sagten unisono, wie schon in erster Instanz, daß die Zeugin völlig grundlos hysterisch gewesen und „freiwillig“ in das Polizeiauto eingestiegen sei. Die attestierten schweren Blutergüsse am ganzen Körper konnte sich keiner erklären. Der damalige Gruppenführer („Ich bin kein Arnold Schwarzenegger“) sagte, er hätte „nicht übermäßig doll zugegriffen“. Er habe sie nur „vorsorglich“ am Arm gefaßt, um zu verhindern, daß sie sich losreißen und in ein Auto laufen könnte. „Starke verbale Äußerungen“ wollte er mit der Begründung „Wir sind alle nur Menschen“ nicht ausschließen.

Die Anwälte der Angeklagten, die bereits in erster Instanz suggeriert hatten, daß sich Claudia D. ihre Verletzungen auch durch Erschütterungen während der Fahrt zugezogen haben könnte, hielten ihr gestern vor, daß sie diese nach Verlassen der Polizeiwache erlitten haben könnte. Einer der Polizisten sagte, daß es „in der Szene gang und gäbe ist, sich Verletzungen attestieren zu lassen, um die Polizei zu schädigen“. Der Prozeß wird nächsten Donnerstag fortgesetzt. Barbara Bollwahn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen