Wand und Boden: Einmal so prominent einsam wie Wim Wenders!
■ Kunst in Berlin jetzt: Wim Wenders, David Byrne, Rohe Kunst, Mina Daneshmand P.L.
O Mann – Männer! Nie sind sie allein, aber immer einsam, etwa Wim Wenders. „To shoot pictures“ bringt dann die „Einsamkeit des Reisenden inmitten leerer Landschaften und einsamer Menschen“ rüber, wie der Einführungstext zu seiner Ausstellung bei Fnac meint. Der Betrachter denkt aber, so prominent einsam wie Wenders möchte er auch mal sein: Akira Kurosawa, Francis Coppola, Dennis Hopper, Jean-Luc Godard, Heiner Müller, Nicolas Ray, Sam Shepard, Harry Dean Stanton, Peter Handke etc. sind die einsamen Menschen, mit denen Wenders so unterwegs ist. Das ergibt ein schwarzweißes und hin und wieder farbiges Familienalbum bedeutender Weltenbaumeister, das sich auch als Buch verkaufen läßt. Die Fotos sind technisch okay, ansonsten fallen eh nur die Promis auf. Die Bildunterschriften beginnen lapidar, bedeutsam und stereotyp mit „einmal“ und erzählen dann eine kleine sentimentale Geschichte. „Einmal spielte ich in einer Bar namens Tosca's Pool mit zwei Schriftstellern...“, „Einmal fuhr ich zu einer Vorführung von ,Paris, Texas‘ zusammen mit Harry Dean Stanton...“, „Einmal habe ich in New York meinen Freund Peter Handke besucht...“; der war von diesem Besuch so angeödet, daß Wenders nur eine Rückenansicht von ihm bekam. Handke schrieb gerade „Langsame Heimkehr“. Als Wenders das klar wurde, verstand er, daß der Freund belastet war. Ein Bild seines Schreibtischs zeigt den Altar, auf dem das Opfer dargebracht wurde. Wir sind erschüttert.
Bis 8. 4., Geschäftszeiten, Meinekestraße 20–24, Charlottenburg
Nicht auf den ausgestellten Bildern, aber im Buch wird bestimmt „einmal“ David Byrne auftauchen, hat er doch einmal den Soundtrack zu einem Wenders- Film gemacht. Passenderweise zeigt die Galerie Arndt & Partner jetzt Byrnes „sleepless nights“ – was auch ganz schön nach Einsamkeit und Verzweiflung klingt. Aber es wird nicht ganz so schlimm. Zwar ist auch für Byrne, der vor der „Talking Heads“-Zeit die Rhode Island School of Design absolvierte, die Kamera „ein Werkzeug zur Erhöhung. Ein Kunstgriff, um Dinge aus ihrem weltlichen Zusammenhang zu lösen.“ Immerhin sind es so enorm sakrale Dinge wie ein Parkhaus, die Byrne zur Andacht freilegt, da schadet die Erhöhung nicht weiter, ist sie doch letztlich redundant. Das Heilige im Profanen zu entdecken und die wahre Schönheit im banalen Alltagsdesign ist sicher keine neue Idee. Aber wer bereist schon so viele Hotels wie Byrne und kann aus einem solchen Fundus von Fotos von Badezimmerdetails, Flurleuchten, Vorhangarrangements und Entlüftungsklappen streng konzeptionelle, hyperästhetisch ausgewogene Bildertafeln zusammenstellen? Byrne zeigt Schönheit, nicht Trash. „Mirror and curtain“ dokumentiert die Rhetorik einer Hotelzimmerecke, den wohlgestalteten Zusammenklang von Braun und Zartrosa. Da er das Schöne nicht kostbar ins Bild rückt, ist man sich am Ende sicher, daß die Kamera für Byrne auch und vor allem, wie er sagt, ein „Vergnügungsinstrument“ ist.
Bis 9.4., Mi.–So. 14–19 Uhr, Hackesche Höfe, Sophienstr. 6, Mitte
Die Erzeugnisse des ästhetisch unzivilisierten Auges hat Jean Dubuffet 1947 unter dem Begriff „l'art brut“ ausstellungsfähig gemacht. Mit einigen seiner sowie Gaston Chaissacs Werken umrahmt die Galerie Michael Haas die Arbeiten von Volkmar Schulz-Rumpold, der 1985 autodidaktisch zu zeichnen und malen begann. Holzpfähle vom Beginn dieses Jahrhunderts, die das afrikanische Volk der Dogon schnitzte, schließen den Reigen der „Rohen Kunst“. Schulz-Rumpold tritt als ungelenker Neuer Wilder auf, der schwarzbraune Gespenster mit „Kopfschmerzen auf der Achterbahn“, 1987, entdeckt. Dubuffet drückt in seiner kleinen Plastik „Le cigare“, 1959, eine Art Waldschrat-Physiognomie in den Pappmachézylinder. Geradezu idealtypisch verkörpert Gaston Chaissacs farbenfrohes Ölbild von 1962, ohne Titel, den frühen Pop des Sechziger-Jahre- Designs. Eindrücklich fremd sind die Y-förmigen Holzstützen der Dogon. Tief in die Erde getrieben, trugen sie das massive Dach der Ältestenhäuser. Dort konnte man sich nur sitzend versammeln, denn sich setzen, meinten die Dogon, heiße schon sich auseinandersetzen. Das Holz ist mit Fruchtbarkeitssymbolen geschmückt, weltliches Palaver und spirituelle Brüste sind hier vom selben Stamm.
Bis 18. 3., Di.–Fr. 10–12.30, 14.30–18.30, Sa. 11–14 Uhr, Niebuhrstraße 5, Charlottenburg
„Die Erde von Pars“ ist in den Tafelbildern der persischen Künstlerin Mina Daneshmand P.L. in der Kommunalen Galerie Steglitz sandfarben und wüstengelb. Die Papiermasse auf persischer Jute fügt sich zu erhabenen Mustern, die sich mal als eine Art Hügelkette, mal als scharfkantige Kammformationen interpretieren lassen. „Tagh e Kasra“, „Tor des Kasra“ deutet eine Stadtarchitektur an, klassische Bauformen, Reichtum, Wohlsein, die Sommerresidenz des Königs, die als Ruine noch im Irak besteht, und zitiert einen Dichter aus dem 12. Jahrhundert, der das Lob des Tages, den es zu nutzen gilt, sang. Oft umrahmt das Papier kleine Spiegelscherben, bei „Pieleh (Kokon)“ öffnet es sich in runden Kratern, unter denen das rotgrüne Gewebe eines Kelims sichtbar wird. Momente eines dezenten Luxus, dezenter Farbfreude. Oft teilt sich das sandige Beige den Bildraum mit einer schwarzen Hälfte, ein bißchen wie Yin und Yang. Aber auch in die verbrannte Erde von Pars sind Spiegel inkrustiert: Erinnerungsraster.
Bis 31.3., Mo.–Fr. 9–18 Uhr, Bürohochhaus Kreisel, 26.OG, Steglitz Brigitte Werneburg
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