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Polizei im Kreuzberger Klassenkampf

■ Im Zusammenhang mit Farbanschlag von „Klasse gegen Klasse“ ermittelt Polizei gegen Schüler und Lehrer

Ermittlungswut bei der Polizei. Im Zusammenhang mit einem Farbbeutelanschlag der Kreuzberger Kampftruppe „Klasse gegen Klasse“ ermitteln die Beamten nun auch gegen einen Kreuzberger Lehrer sowie mehrere Schüler der Hans-Sachs-Oberschule. Der in Gropiusstadt Anfang Januar verübte Anschlag auf das Haus seiner seit Jahren von ihm getrennt lebenden Frau galt Wolfgang K., einem Hauptkommissar vom Jugend- und Gewaltkommisariat der Polizeidirektion VII in Weißensee. Bei seiner Aussage gegenüber der Polizei lenkte K. den Verdacht auf den Kreuzberger Lehrer Karl- Heinz Schubert. Er gehe davon aus, so K. in einer „dienstlichen Äußerung“, die der taz vorliegt, daß Schubert die ihm überreichte Visitenkarte K.s vermutlich in andere Hände weitergegeben habe.

Nachdem Ende November eine Kreuzberger Schulklasse von rechten Jugendlichen in Marzahn provoziert wurde – woraufhin die Kreuzberger ihre Kontrahenten in die Flucht schlugen –, hatte die Polizei acht Jugendliche und ihre Lehrerin festgenommen und zwei der Schüler, darunter einen 13jährigen, erkennungsdienstlich behandelt. Der Vorwurf: unerlaubter Waffenbesitz, die beiden Schüler waren mit Messern und einer Gaspistole bewaffnet. Eine Woche später war Kriminalhauptkommissar K. in der Kreuzberger Schule aufgetaucht und hatte unter Duldung des Schulleiters Heinz Winkler die restlichen Schüler der Klasse verhört, ohne zuvor deren Eltern zu benachrichtigen. Erst der Hinweis des Vertrauenslehrers Karl-Heinz Schubert auf die fehlende Rechtsgrundlage hatte K. seinerzeit veranlaßt, die Aktion abzubrechen.

Nach dem Farbanschlag von „Klasse gegen Klasse“ ermittelte die Polizei nun erneut in der Kreuzberger Schule. Diesmal auch gegen Karl-Heinz Schubert. Was die Polizei nicht interessierte: Bereits nach den Verhören im November war K.s Name mehrfach in einer Sonderausgabe der Kreuzberger GEW-Zeitung Trend genannt worden. Die Zeitschrift lag in einer Auflage von 2.000 Stück auch in vielen Kreuzberger Cafés und Kneipen aus. Das in der Nähe des Farbanschlags gefundene (und von der Polizei zurückgehaltene) Flugblatt der „Jugendgruppe Kreuzberg“ von „Klasse gegen Klasse“ ist aus dem GEW-Flugblatt zusammengepuzzelt.

Doch die Polizei ermittelte nicht nur gegen Schubert munter drauflos, sondern auch gegen die Schüler der Hans-Sachs-Schule. Kurz nach dem Anschlag von „Klasse gegen Klasse“ wurden mehrere Schüler auf die Polizeiwache vorgeladen. Dort mußten sie feststellen, daß sie nicht wegen der Marzahner Ereignisse verhört werden sollten, sondern wegen des Anschlags auf Kommissar K. Beide Ermittlungsvorgänge befinden sich in ein und derselben Akte.

Die Ermittlungsmethoden der Polizei beschäftigen nun erneut das Abgeordnetenhaus. Auf der heutigen Sitzung des Innenausschusses will die PDS-Abgeordnete Gudrun Steinborn klären lassen, ob das Vorgehen der Polizei nach der bereits gerügten ED- Behandlung eines 13jährigen türkischen Schülers im November legal sei.

Doch nicht nur im Zusammengang mit „Klasse gegen Klasse“ wird derzeit äußerst dubios ermittelt. Auch gegen die Religionslehrerin Evi Grünberg, die nach der Festnahme in Marzahn von der Polizei beschuldigt wurde, ihren Schülern Waffen zugesteckt zu haben, wurde nun ein weiteres Ermittlungsverfahren, diesmal wegen angeblicher Falschaussage, eingeleitet. Um zu beweisen, daß die Kreuzberger Schüler gar nicht von rechten Jugendlichen provoziert worden seien, sind heute mehrere Schüler bei der Polizeidirektion in Weißensee vorgeladen. Was die Polizei freilich verschweigt: Bevor die Kreuzberger Schüler von den Marzahnern provoziert wurden, befand sich die Polizei mit einem Videotrupp im Späheinsatz vor jener Marzahner Gesamtschule, von deren Schülern die Kreuzberger nach eigenen Angaben mit „Heil Hitler!“-Rufen herausgefordert wurden. Uwe Rada

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