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Wand und BodenUnproblematische Idylle am Wannsee

■ Kunst in Berlin jetzt: Jackob-Marcks, Schneider, Schunter, Stangl, Goede, Werts und Dine

Der Hof ist eine Idylle. Für den Verkauf von Gartenpflanzen und Gesundheitsnahrung umgebaute und restaurierte Schuppen und Stallgebäude umgeben die Galerie Mutter Fourage.

Rotgebrannte Blumentöpfe und bunte Übertöpfe aus edlem Steingut stehen zwischen Stauden, Büschen und Blumen. Damit läßt sich ein südlich-luxuriöser Balkon ebenso wie ein hübscher Bauerngarten herrichten.

In dieser Umgebung überrascht es nicht, gleich am Eingang der Galerie auf eine ziemlich große Leinwand zu stoßen, die Christine Jackob-Marcks ausgerechnet mit Seerosen bemalt hat. Christine Jackob-Marcks ist kürzlich zusammen mit Hella Rolfes, Hans Scheib und Reinhard Stangl als erste Preisträgerin für ihren Entwurf eines geplanten Holocaust-Mahnmals in Berlin bekannt geworden.

Neben ihr und Reinhard Stangl stellen Sabine Schneider und Peter Schunter zum Thema „Garten – Park – Landschaft“ aus. Schunter präsentiert ein „Wiesenstück“ und ein „Stiefmütterchenfeld“, zwei Szenen also, die, obgleich naturalistisch gesehen, in der flächigen Abstraktion bleiben.

Die reizvollsten Bilder der Schau, deren Motive aus der näheren Umgebung stammen, also den Gärten und Parks von Glienicke, Babelsberg und Potsdam, zeigt Reinhard Stangl. Die Bilder dünken wie Simultanbühnen, auf denen sich barocke Dramen in Ideallandschaften, die Watteau zitieren, abzuspielen scheinen. Das ist der Impression ganz entgegengesetzt, der Jackob-Marcks und Sabine Schneider nachgehen. Schneiders unentschiedener Umgang mit der Farbe – expressionistisch, antinaturalistisch, dekorativ oder doch illusionistisch einsetzen? – resultiert in einem Deckel statt einem Himmel über ihren Gärten und Parks.

Eine außerordentlich schick designte Farbzusammenstellung zeichnet dagegen Christine Jackob-Marcks rosalilaschwarze „Kiefern“ aus. Was aber auch nur klarmacht, wie völlig unproblematisch ihr die Natur offenbar als malerische Aufgabe scheint. Was dann doch ein Fehler ist.

Bis 20. 5., Mi.–Fr. 10–13, 14–18 Uhr, Chausseestr. 15a, Wannsee

So idyllisch die Situation am Wannsee ist, so trashig ist sie in Steglitz: Die Galerie Treppenhaus steckt in einem Autobahnpfeiler. Dort findet sich die audiovisuelle Installation „Room Opera II“ in situ, am rechten Ort. Denn die feindliche Umgebung ist ihr Gewinn. Verstreut über eine kurze Roll- und eine weiterführende Betontreppe, liegt ein mit Rosen und Kamelien bedruckter Stoff. Als Bettüberwurf hängt er von der Decke und läßt ein Viereck frei, in dem ein Videomonitor steht, auf dem alte Damen und junge Baumblüten zu sehen sind.

Der Stoff der Ausstellung, in beiden Bedeutungen des Wortes, entstammt einer Farm in Silverstreet/South Carolina. Dort leben drei greise Schwestern, mit denen sich die Künstlerin Nina Goede befreundete. Sie filmte die alten Damen, ihr Haus, den Garten und fand die „Camelia Curtains“, deren blumenreicher Druck das Wesen des Hauses und seiner Bewohnerinnen ideal zu verkörpern scheint.

Goede hat den Vorhangstoff über Drahtskulpturen gezogen, in denen Lautsprecher verborgen sind. Drehen sich die Skulpturen, klingt Daniel Werts' Musik gegen die geräuschvolle Umgebung an.

Der Komponist und Multiinstrumentalist mußte die Konfrontation seiner Musik mit dem Lärm der Autobahn und der im Zeittakt vorbeirumpelnden S-Bahn akzeptieren. Werts machte die Umweltgeräusche produktiv, indem sie zum zeitlichen Auslöser seiner musikalischen Abfolgen werden. Rock of Ages und East Virgina, zwei bekannte Südstaaten-Melodien, klingen durch, und beim Hinauf- und Hinabsteigen im Betonblock, beim Betrachten der „Camelia Curtains Dreamplay“Diaprojektion denkt man unwillkürlich an Bette Davis und ihre verrückten Südstaatlerinnen. Die empfindsame Installation führt auf die Spur recht dramatischer Ideen.

Bis 24. 5., Di.–Fr. 15–19, Sa. 11–14 Uhr, Albrechtstraße 129, Steglitz

„Dine ist mein Herz“ – so ließ sich zuletzt auf die Arbeiten des gegenwärtigen Gastprofessors an der Berliner HdK der Reim machen. Mehrere, schon in Berlin entstandene Di- und Triptychen belegen in der aktuellen Ausstellung der Raab Galerie „Das Ich und das Andere“, daß das Herz für Jim Dine weiterhin ein wichtiges Motiv bleibt. Man fragt sich allerdings, warum. Denn ob das Herz, das Dine zeigt, von zwei Totenschädeln im Profil eingefaßt wird, wie bei „The Winter Palace“, oder einem schwarzen Vogel rot glühend gegenübergestellt ist, wie bei „Jimmy, caught, starring at the passion“ – die bewußt platte Symbolik wird im Malgestus weder konterkariert noch überboten, sondern nur merkwürdig ungerührt bestätigt. Ziemlich steife, emblematische und gerade deshalb eher unerhebliche Andachtsbilder sind das Resultat.

Aber nicht Herzschmerz, sondern „Affe und Katze“ beherrscht die Ausstellung. Dine fand seine Anregung in der Gebrauchskunst des 19. Jahrhunderts, die Erfindung des anthropomorphen Tierpaares in einer anonymen viktorianischen Keramikskulptur verdankt sich der damals sentimental gewünschten Darstellung von Erotik. Das bleibt dann auch der Haken bei der Sache. So eindringlich Dine in den Kohlezeichnungen „Cat and Shadow“ oder „Sleeping in Germany“ das Motiv umformuliert, bei der Bronze „Ape & Cat (Waning of the Moon)“ geradezu ins Innige ummodelliert oder ins Beswingte bei „Ape & Cat (On the Ocean)“: Frau Katze und Herr Affe bleiben zu sehr konventionelles Paar, als daß die beunruhigende Fragestellung nach dem Ich und dem anderen wirklich drängend würde.

Bis 2. 6., Mo.–Fr. 10–18, Sa. 10–14 Uhr, Potsdamer Straße 58, Tiergarten Brigitte Werneburg

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