Wand und Boden: Auch ich bin ein Architekt
■ Kunst in Berlin jetzt: Maitz, Pitz, Christo, Berning, Pop
Vertrackt postfeministisch perspektiviert geht die Arbeit von Petra Maitz sicher mit der von Nicole Eisenman zusammen, aber konzeptionell steht sie in der ganz anderen Tradition von Trockel, Hesse oder Andrea Zittel. Wie also soll man diese Differenz in der Einheit eines Artikels herausstellen? Dann besser zwei.
Maitz konfrontiert das geschwindigkeitsbesessene kriegerische Maschinenzeitalter mit der Vergangenheit saumseliger, weiblicher Handarbeit. Aus ihren schnell getätigten fotografischen Schnappschüssen folgt die sorgsame und allmählich ausgearbeitete Stickerei. In der Konfrontation Apparat–Einzelarbeit ist das männlich heroische Handwerk des Malens zum Zwischenschritt degradiert. Das Motiv der urbanen Misere am Broadway wird nicht unmittelbar in der kostbaren Seidenarbeit der 2 mal 3 Meter messenden Tapisserie in der Galerie Mittelstraße 18 negiert. Dazwischen malt Maitz das Foto ab, dieses Gemälde wird erneut fotografiert und der so entstandene Karton an ihre Stickerinnen in Südostasien verschickt. Das Endprodukt wird von der Künstlerin autorisiert. Sind wir nun zur Nadelarbeit aufgerufen, wenn Maitz ansonsten nur diese Fotokartons vom „Atlantic Café“ oder der trostlosen Alexanderplatzbaustelle ausstellt? „Painting-all-over?“ wie der Ausstellungstitel meint?
Bis 2. 7., Fr-So 14-18 Uhr, Mittelstraße 18, Potsdam
Christo! Christo? Aber diese Arbeit bei Franck + Schulte muß man sich schon anschauen: seine „Yellow Storefront“ von 1965. Verhüllt ist hier nur das Schaufenster, wie üblich, wenn umdekoriert wird, beziehungsweise der Laden zum Mieten frei steht. Ansonsten ist der penible, aber anonymisierte Nachbau eines völlig zeichenlosen Ladeneingangs nebst Schaufenster in gelb gestrichenem Holz reine Pop-art. Das geht irgendwie ans Herz. Und erinnert an Edward Hoppers Drugstores.
Hermann Pitz' Maßstabslosigkeit hat nichts mit der Pop-art zu tun, paßt aber dennoch. Ein ausladender Tisch ist mit riesigen Objekten bestückt, einem enormen Datumstempel, einer monumentalen Tischlampe, einem Leuchtkastenbild, den bekannten Wassertropfen aus Giesharz und einer Grappaflasche, die der früheren Arbeit „Deutsche Bank“ entstammt. Sie funktioniert wie eine Lupe oder eine sogenannte „Schusterkugel“, die Licht bündelt und auf ein Objekt lenkt. Man assoziiert manieristische Abbildungsexperimente oder die Alchemie des Handwerks. Das Bild einer klassizistischen Villa sprengt Pitz mit dem Weitwinkelobjektiv in heftige Verzerrungen auf; die Farbfotosequenz entlang den Wänden bringt schließlich auch den Betrachter ins Trudeln. Der sieht sich endlich einem Feld strahlender und angestrahlter, mächtiger Blechblasen gegenüber, das die lotrecht aufgestellten Endstücke großer Bogenlampen bilden. Asbestfrei sind die sicher nicht, aber keinesfalls rührt daher ein gewisses bedrohliches Gefühl.
Bis Ende Juli, Mo-Fr 11-18, Sa 11-15 Uhr, Mommsenstraße 56, Charlottenburg
Den Riesen, die am Tisch von Pitz Platz fänden, dürften die Dimensionen der zwei Meter hohen Buchrücken, die Anne Berning malt, gefallen. Was auf der Einladungskarte der Galerie vierte Etage zunächst wie der dritte Aufguß von Appropriation-art aussieht, kann eine solche nicht sein, denn Berning thematisiert das Original gar nicht. Ihre Bildtafeln präsentieren es höchstens in Form des schmalen Ausschnitts, den Buch- und Katalogrücken zeigen. Sonst trifft man auf die typische Monographien-Typographie; die Titelbilder, die als pars pro toto für das Werk von Manet, Daniel Buren, René Magritte, Duchamps oder van Gogh u.v.a. stehen, sind meist von ihr erfunden. Anne Berning verweist auf die Kunst in der Form ihrer Reproduktion; auf die Buchreihe im Regal einer Kunstbibliothek. Diese verwandelt sie jedoch wieder in ein Original, in Gemälde verschiedenen Formats oder in eine Zwischenform von Bild und Skulptur, als die ihre schräg gegen die Wand gelehnten Buchrücken-Leinwände erscheinen. Ihre neue Ordnung, die nur ein Alphabet der Künstler, aber keine Hierarchie kennt, keinen individuellen malerischen Duktus (außer dem ihren), aber eine potentiell endlose Serialität, deutet auf die Illusion des Zugriffs und das Imaginäre, das der Zugriff in Prozeß setzt.
Bis 22. 7., Mi-Sa 16-19 Uhr, Bregenzer Straße 10, Wilmersdorf
Susi Pop, die Sängerin, „She is also a fucking architect“: In der Zwinger Galerie ist jetzt ihr leicht dezentraler Hauptstadtentwurf ausgestellt. Es wundert nicht, daß hier der sonst übel beleumundete Stadtteil Neukölln in freundlichem Rosa erstrahlt. Wie auch das restliche Gipsmodell. Zuletzt wurde man ja allenthalben mit den recht lecker präsentierten Maßstabsverkleinerungen der großen Hauptstadtarchitekten trackiert. Pops pinkfarbene Stadterneuerung schlägt diese um Längen. Nicht zuletzt, weil sie auf die traditionellen Baum- und Buschsäume völlig verzichtet. Susi Pop, die Architektin, ist Künstlerin, und als solche interessiert sie die Wahrheit, die Essenz: der Kegel, der Quader, die Pyramide, die Säule, der L-förmige Block und derlei originelle Architekturarchetypen mehr. Dafür kommt man nicht umhin, die ingeniös entwickelte Noppenfassade der einzelnen Baublocks zu würdigen. Wir wissen, wieviel Schweiß es kostet, eine gute Fassade zu entwerfen. Daß die Anlage als urbanes Ganzes eher tranig wirkt, sollte nicht irritieren. Sind die großen Architekten nicht fast alle miserable Städteplaner?
Bis 9. Juli, täglich 11-19 Uhr, Dresdener Straße 125, Kreuzberg Brigitte Werneburg
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