: Kindermund ...
■ ... tut Nerviges kund: SchülerInnen der 4b der Grundschule Bahrenfelder Straße erzählen
Über Peinliches schweigen sich die SchülerInnen erst mal aus, und verlegen grinsend meinen sie, daß sie sich überhaupt an nichts erinnern könnten. Aber dann erzählt Patrick Gott von der Elfenbeinküste doch ein etwas unerquickliches Erlebnis: „Ich stand einmal auf dem Rasenplatz, und da hat mir ein Mädchen aus meiner Klasse ohne Grund eine Backpfeife gegeben. Aber ganz doll. Die anderen haben alle gelacht.“ Jana Pauss trieb es die Schamröte ins Gesicht, als sie mal ein Eigentor geschossen hat beim Fußball. Wie die Türkin Gönül Keskin, die nach einem Seitenwechsel auch nicht mehr wußte, auf welches Tor sie eigentlich zielen sollte. Dann schoß sie aber noch „zwei oder drei richtige Tore“, und ihre Mannschaft siegte trotzdem. Markus Rapo aus Bosnien erzählt ganz ungeniert, was ihm eigentlich peinlich ist: „Immer wenn es in der Klasse stinkt, dann sagen alle, ich hab' gebläht. Dabei stimmt das gar nicht“, empört er sich.
Zu Nervigem und Ärgerlichem fällt den Neun- und Zehnjährigen mehr ein: Geschwister und Eltern können einem ganz schön auf die Nerven gehen. Daß sie nicht alleine zu Konzerten gehen darf, ärgert die Türkin Damla Corak, und daß sie noch nicht schwimmen kann. Schwimmen kann Pinar Karahisar aus der Türkei zwar, doch mit ihrer Freundin darf sie trotzdem nicht allein ins Schwimmbad. Mussawar Abid aus Pakistan kann auch ein Lied singen über Verbote: „Wenn ich meine Mutter frage, ob ich mit meinen Freunden auf den Spielplatz gehen darf, dann sagt sie öfters nein.“ Die Muslimin hat Angst, daß ihm seine Freunde zu viel von Jesus erzählen.
Geschwister können nerven, einfach weil sie auf der Welt sind (Michael Matijasivic), oder weil sie einen „nur aus Spaß hauen“, wie der Türke Mehmet Ejüpoglu klagt. Oder sie schauen zu lange Fernsehen, so daß man selbst nicht einschlafen kann, wie Inisa Barac aus Bosnien erzählt. Markus Rapo beschwert sich über seinen Cousin, weil der ihn immer als Übungsobjekt für seine neusten Kampfsportkenntnisse mißbraucht. Batikan Akhan hat sich schon häufig über die Parallelklasse aufgeregt, weil sie schlimme Wörter sagen, oder weil die Jungs etwas stärker sind: „Die sagen, wenn ihr nicht mit uns spielt, dann verprügeln wir euch.“
Gar nicht genug empören können sich die SchülerInnen über Autos. Vor allem, daß Autofahrer immer so rasen, wie Jessica Mahnke und Sylvia Holm kritisieren. Sebastian Elschner hätte lieber mehr Bäume und weniger Autos. Ganz abschaffen will er sie aber nicht, lieber ersetzen durch Elektro- oder Gasautos. Autos sind aber auch störend, weil sie laut sind, findet Jana Pauss. „Mich nervt auch, daß es in meiner Straße keine richtigen Laternen gibt. Und wenn ich abends im Dunkeln nach Hause komme, da habe ich Angst.“ Über den Müll auf den Straßen ärgert sie sich genauso wie Jan-Peter Jannack über „die Hunde, die ihren Mist auf Spielplätzen abladen“ oder Menschen, die dort ihre Spritzen rumliegen lassen.
Zu kleine Wohnungen sind auch ein Grund zur Kritik. „Wir haben nur zwei Zimmer, eins für meine Mama und eins für meine Schwester und für mich“, erzählt Johannes Kreher. Weil es so eng ist, streitet er sich häufig mit seiner kleinen Schwester. Auch Gönül Keskin kann ein Lied davon singen: „Wir sind vier Kinder und alle in einem Zimmer. Und jetzt müssen wir aus der Wohnung raus.“ „Ich finde es doof, daß wir jeden Tag – wir wissen ja nicht, wann genau – nach Bosnien zurück müssen“, erklärt Michael Matijasivic, der hierbleiben möchte.
Der Grieche Panagiotes Zacharis ist genervt, weil er nicht nur die deutsche, sondern auch noch die griechische Schule besuchen muß und keine Zeit zum Spielen bleibt. Und Benjamin Dufner regt sich über seine Katze auf, weil die mit ihren Krallen am Küchenschrank rumkratzt, wo das Futter drin ist: „Das ist immer so laut.“
Aufgeschnappt von Patricia Faller
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