: Clintons „Old Deal“
■ In den USA soll de facto die Sozialhilfe wegfallen
Jetzt wissen wir, was gemeint war, als sich Bill Clinton im letzten Wahlkampf mit seiner Frau als Doppelpack anbot. Hillary schreibt als gesamtideelle Mutter der Nation einen Bestseller zur Rettung der Kinder Amerikas; Bill unterzeichnet ein Gesetz, das mehr als eineinhalb Millionen Kinder zusätzlich in die Armut treibt. Die klassische Arbeitsteilung: Er schafft die Fakten, sie tut was fürs Gemüt.
Um sich der Tragweite der Entscheidung des US-Präsidenten bewußt zu werden, muß man zurückschauen. 1935 unterzeichnete Roosevelt im Rahmen des „New Deal“ das erste Bundessozialhilfegesetz der USA. Dreißig Jahre später proklamierte Johnson den „Kampf gegen die Armut“. Wieder dreißig Jahre später radiert ein „Demokrat“ im Weißen Haus dieses Erbe mit einem Federstrich aus und reiht sich in den politisch konformen Kampf gegen die Armen ein. Damit die Kinder nicht allzuschlimm leiden, fordert die Clinton-Administration die Ausgabe von Gutscheinen für Windeln. Das sind mittlerweile die Parameter der US-Debatte über Armut. Die einen wollen Bedürftigen nach zwei Jahren mit einem „Nur wer sich selbst hilft, dem hilft Gott“ in die Wüste schicken; die anderen wollen ihnen dabei Windeln für die Kinder mitgeben.
Dieses Gesetz, das mit Reform soviel zu tun hat wie eine Zigarette mit Krebsvorsorge, trifft vor allem alleinerziehende Mütter. „Streicht ihnen die Sozialhilfe“, so die Logik im Kongreß, „und zwingt sie, Arbeit zu suchen. So spart der Staat Geld, und die Frauen haben keine Zeit, noch mehr Kinder in die Welt zu setzen.“
Reagan hat das infame Stereotyp der schwarzen „Welfare Queen“ mit großer Kinderschar und zehnjähriger Sozialamtskarriere geschaffen. Heute haben es die meisten Amerikaner automatisch vor Augen, wenn das Stichwort „Sozialhilfe“ fällt. Die Realität bleibt da auf der Strecke – und mit ihr die typische Sozialhilfeempfängerin: Geschieden. Ein oder zwei Kinder. Kein Unterhalt. Keine brauchbare Jobqualifikation. Nicht daß Vater Staat sich ihnen gegenüber großzügig verhalten hätte. Aber immerhin hat er ein Mindestmaß an sozialer Sicherung und Hilfe garantiert. Damit ist jetzt Schluß, weil Bill Clinton aus wahlkampftaktischen Gründen zu feige war, ein Veto einzulegen. Andrea Böhm
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