: Undefiniertes Medium
■ Die öffentlich-rechtlichen Sender produzieren Online-Programme für das Internet - mit und ohne Microsoft
Was ist der Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten in Deutschland? Sollen sie nur Radio- und Fernsehprogramme anbieten? Oder dürfen sie die Gebühren, die sie von allen Fernsehzuschauern einziehen, auch dazu verwenden, Internet-Angebote zu finanzieren? Die öffentlich-rechtlichen Sender haben diese Fragen ganz verschieden beantwortet: Während die ARD-Anstalten ihr Angebot im World Wide Web aus den Rundfunkgebühren bezahlen, arbeitet das ZDF mit Microsoft Network, dem Online-Dienst von Bill Gates, zusammen.
Erst vor drei Wochen hat das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) den Schritt ins Internet gewagt. Andere deutsche Fernsehsender haben schon länger eine eigene Homepage, die Mainzer haben bis zum Beginn der Olympischen Sommerspiele damit gewartet. Zuvor war das ZDF nur im Hausnetz von T-Online vertreten, das vom Internet aus nicht erreichbar ist.
Das neue Web-Angebot werde von „einem guten Dutzend“ Redakteuren und Programmierern gestaltet, sagt die Pressesprecherin Ines Bauer. Sie sitzen unmittelbar in den verschiedenen ZDF-Redaktionen und erarbeiten die Online- Programme zusammen mit den Fernsehprofis. Finanziert wird ZDF-Online von Microsoft, Bill Gates Firma zahlt das Gehalt für die Internet-Redaktion und stellt die passende Software zur Verfügung. Das ZDF liefert die Inhalte und stellt die Infrastruktur: „Das geht vom Bleistift bis zu den Büroräumen“, weiß die Pressesprecherin. Über die Höhe der Finanzmittel, die Bill Gates in die Partnerschaft einbringt, will weder Microsoft noch das ZDF Angaben machen. Man könne da „der Phantasie freien Lauf lassen“, sagt Michael Kramers, der Redaktionsleiter von ZDF-Online.
Wer lieber den Taschenrechner benutzt und ein durchschnittliches Monatsgehalt von 5.000 Mark mit zwölf Mitarbeitern und zwölf Monaten multipliziert, kommt für die Redaktion auf ein jährliches Personalbudget von 720.000 Mark. Zu Buche schlägt aber auch der kostenlose Gebrauch von Microsoft- Programmen. Außerdem kann das ZDF bei kniffligen Programmieraufgaben auf die Entwickler von Microsoft Network (MSN) zurückgreifen.
Doch Microsoft wäre nicht Microsoft, wenn es dafür nicht eine Gegenleistung verlangen würde. „Wir sind keine Sponsoren, uns geht es um die Inhalte“, sagt Michael Ortleb, Produzent beim MSN, der die Kooperation mit dem ZDF vorbereitet hat. „Das ist ein Service für unsere Kunden. Das ZDF hat ein sehr attraktives Angebot im Bereich Nachrichten, Sport, Shows und Entertainment.“
Für sein Internet-Angebot behält das ZDF zwar die redaktionelle Hoheit und inhaltliche Autonomie; auch die Rechte für das Material gehen nicht an Microsoft über. Doch einige Seiten der ZDF- Homepage sind schon jetzt nur für Kunden von MSN zugänglich. Nur auf die Basisprogramme wie „WiSo“ und das „Aktuelle Sportstudio“ können alle Netzsurfer zugreifen. Einige besonders attraktive Angebote, wie zum Beispiel Live-Chats mit prominenten Gästen des „Sportstudios“, sind jedoch auschließlich den MSN-Kunden vorbehalten. Auch wer die WiSo-Diskette aus dem Internet herunterladen will, muß seine MSN-Mitgliedsnummer eingeben; über diesen Internetzugang werden dann die Kosten abgerechnet. Darum hat das ZDF auch zwei Internet-Adressen: www.zdf.de und www.zdfmsn.de.
Weitere ZDF-Hits wie „Frontal“, „aspekte“, „Gesundheitsmagazin Praxis“ und „Das Literarische Quartett“, die noch im Ausgust ins Netz gehen sollen, werden nur zum Teil für alle dasein. Interviews, Spiele und Chats mit den Prominenten dürften auch nur für MSN-Kunden zugänglich sein, eventuell könnte es ausreichen, sich namentlich anzumelden. An dieser einträglichen Sonderrolle von Microsfoft wird sich selbst dann nichts ändern, wenn MSN im Herbst (wie geplant) ganz ins Internet umsiedelt und keine eigenen Inhalte im Hausnetz mehr anbietet.
Ganz anders bei der ARD, die ihre ersten Schritte im Internet aus den Rundfunkgebühren bezahlt. Im Netz sind sie inzwischen alle, „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ haben ihre eigenen Homepages. Die Mittel dafür kommen zum Teil aus den Abteilungen für die Öffentlichkeitsarbeit der Sender; beim WDR ist die Internet-Redaktion gleich ganz der Pressestelle angegliedert. Werbung oder Sponsoring gibt es bisher nicht.
Georg Berg, Multimedia-Chef des WDR, sagt: „Wir machen unser Internet-Angebot selbst, weil wir uns nicht in irgendwelche Abhängigkeiten hineinbegeben wollen.“ Dafür können seiner Ansicht nach auch Gebühren verwendet werden: „Der Gesetzgeber hat uns eine Entwicklungsgarantie gegeben. Wir haben einen Auftrag zur Grundversorgung, und die Medien, in denen wir diese Grundversorgung bieten, sind nicht genau definiert. Früher haben wir unsere Radioprogramme nur auf der Mittelwelle verbreitet. Heute senden wir auch auf UKW und machen Digital Audio Broadcasting.“ Tilman Baumgärtel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen