piwik no script img

„Die haben selig vor sich hin gepennt“

■ Die SPD-Sektenexpertin über den bayerischen Kampf gegen Scientology

Bayern will Scientology-Mitglieder vom öffentlichen Dienst ausschließen. Die taz befragte dazu die sektenpolitische Sprecherin der SPD, Renate Rennebach.

taz: Vor der Haustür der taz verteilen Scientologen gerade ihre Vereinszeitung. Darin steht, daß die Psychosekte Sie, Frau Rennebach, laut Urteil des Hamburger Landgerichts eine Menschenrechtsverletzerin nennen darf. Sie hatten gegen diese Bezeichnung geklagt.

Renate Rennebach: Die Revision dieses Urteils ist noch offen. Das Gericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß auch die Scientologen das Recht auf Meinungsfreiheit haben. Ich bin trotzdem empört, daß mich jemand so nennen darf.

Die Bayern wollen Berufsverbote für Scientologen. Finden Sie das richtig?

Das ist der bayerische Weg, und der ist mir zu drastisch. Ich bin aber dafür, daß Lehrer eidesstattlich versichern, daß sie die Lehren des Ron Hubbard nicht anwenden. Was die Bayern machen wollen, ist Mumpitz. Das muß juristisch genau geprüft werden.

Die Scientologen könnten ja einfach auch behaupten, sie gehörten der Sekte nicht an.

Ja. Denn für die Mitglieder sind die Nicht-Scientologen der Feind. Dem gegenüber dürfen sie lügen. Die Scientologen haben nicht nur das Sendungsbewußtsein, sondern die Pflicht, die Welt zu verändern.

Sollen die Sektenmitglieder vom Verfassungsschutz überwacht werden?

Da komme ich ins Grübeln. Wir wissen zuwenig. Wer soll überwacht werden? Die Mitglieder, die Zentralen?

Das Bundesarbeitsgericht hat gesagt, Scientology ist keine Kirche, sondern ein Wirtschaftsunternehmen.

Das geht seit 20 Jahren so. Wenn es ihnen gerade paßt, sind sie ein Unternehmen, und dann, wenn es gerade gebraucht wird, wollen sie wieder eine Kirche sein.

Basis des Wirtschaftsunternehmens ist doch die Ausbeutung der Mitglieder.

Die Manipulation der Mitglieder ist nur die eine Seite. Die andere ist die Unterwanderung der Gesellschaft, die dazu dient, politischen Einfluß zu kriegen. Deshalb muß man schon nachfragen, wer wo arbeitet.

Fühlen sich die katholischen Funktionsträger in Bayern bedroht?

Nein, das glaube ich nicht. Sie haben geschlafen. Die bayerischen Sektenbeauftragten haben sich schon lange beklagt, daß die Politiker selig vor sich hin pennen.

Und jetzt sind sie aufgewacht und haben überreagiert?

Na klar!

Wie erklären Sie sich die Aufregung in den USA über den Umgang der Bundesrepublik mit der Sekte? Dort wird behauptet, hier würden Minderheiten unterdrückt.

Das ist nichts Neues. Die Scientologen haben schon vor zwei Jahren ganzseitige Anzeigen in der New York Times, der Herald Tribune und der Washington Post geschaltet. Die USA sind ein anderes Pflaster, alles ist viel größer.

Würden Sie sich den Film „Mission: Impossible“ angucken?

Nein, ich komme eh nicht dazu. Der Boykottaufruf der Jungen Union ist Quatsch. Scientologen haben den Film nicht finanziert. Das trifft 1.000 falsche Leute und schafft einen neuen Märtyrer, Tom Cruise. Interview: Heide Platen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen