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■ Scheinbar unverzichtbar, wenn auch gern ohne Themenbezug: Inserts, die synchrone Personality-Info

Synchrone Background-Infos“ könnten die Einblendungen unter Insidern heißen, die schon seit einiger Zeit die Redebeiträge in den Talkshows optisch ergänzen. Etwa „Hat sechs Millionen Platten verkauft“ bei Schlagerstars oder „Heiratete nach der dritten Operation ihren Schönheitschirurgen“ bei weniger Bekannten.

Zunächst enthielten die sogenannten Inserts zusätzliche und nützliche Informationen zu den jeweils gezeigten Beiträgen. Zum Beispiel las man auf dem Bildschirm „Lebt seit 15 Jahren mit der Leber eines Alkoholikers“, während der Problemgast uns mitteilte, daß er zur Bekämpfung von Entzugserscheinungen nun täglich vorm Frühstück zwei Korn trinken muß, obwohl er vor seiner Transplantation so gut wie abstinent war. Das war sinnvoll und informativ, hielt aber den durchreisenden Zapper, der an Organtransplantationen kein Interesse hat, nicht bei der Stange.

Schon bald verselbständigte sich allerdings die synchrone Background-Info, und man befreite sich aus den Fesseln des Gesprächs-, bald auch des Themenbezugs. So lesen wir Dinge wie „Ich bin stolz auf meinen neuen Busen“, während eine Mittvierzigerin über das laute Schnarchen ihres Lebensabschnittspartners klagt, „Ich habe meinen Schoßhund verspeist“, während ein braungebrannter Reinhold-Messner-Typ von seinen Abenteuern in China prahlt, oder „Hat Handicap 18 im Golf“, während Franz Beckenbauer die kämpferischen Qualitäten des Fußballers Lothar Matthäus lobt. Jetzt halten auch diejenigen Zapper inne, die das jeweils gesprochene Wort wenig interessiert, gibt es doch trotzdem allerhand Wissenswertes zu erfahren. Und wissenswert, das wissen die Talkshowmacher, sind persönliche Probleme, private Vorlieben und intime Bekenntnisse.

In der Epoche von Reizüberflutung und -fragmentierung, Synchronität und Infotainment erhöht jede zusätzliche Information die Chance, Interessenten zu finden. Je weniger die Zusatzinformation mit dem eigentlichen Thema gemein hat, desto größer die Zielgruppe, desto besser die Quote.

Redet zum Beispiel Gerhard Schröder über den Standort Deutschland, so langweilt sich Otto Normalgucker und zappt bald zur Konkurrenz. Läse er aber gleichzeitig „Auch meine neue Hillu kocht nur vegetarisch“, ließe dies weitere pikante Details erwarten, die er keinesfalls verpassen möchte, selbst wenn ihn die Standortdiskussion nicht die Bohne interessiert. So fängt man zwei Zielgruppen auf einen Streich.

Die Personality-Info erweitert nicht nur das Feld der Themen, sie gibt uns das Gefühl, auserwählt und eingeweiht zu sein, dazuzugehören. Spricht Schröder über Wirtschaftsthemen und lesen wir gleichzeitig den neuesten Klatsch über ihn und seine Freundin, ist das so, als nähme uns – und nur uns – der Guckkasten zur Seite und erzählte uns, ganz im Vertrauen und so leise flüsternd, daß Gerhard nichts davon merkt, die wirklich wichtigen Dinge über ihn, die er sich in diesem offiziellen Rahmen nicht mitzuteilen traut.

Wie lange wird es dauern, bis man mit der synchronen Personality-Info auch in Nachrichtensendungen Quote macht? Bis bei Regierungserklärungen das aktuelle Lebendgewicht des Kanzlers oder ein Saumagenrezept seiner Hannelore eingeblendet wird? Oder bei der Ansage eines beliebten Moderators der Satz „Ließ seinem verstorbenen Pudel ein Requiem komponieren“? Dann müßte die liebe Ehefrau sich während der Tagesschau nicht mehr an ihre Töpferscheibe zurückziehen, sondern könnte ihrem Liebsten Gesellschaft leisten, die Quote würde steigen, und in der Familie wäre für Gesprächsstoff gesorgt. Wer unterhält sich in seiner Wohnlandschaft schon über den G-7-Gipfel? Über Gewichts-, Gesundheits- und Sexualprobleme aber unterhalten wir uns alle.

Hier liegt die Chance der Öffentlich-Rechtlichen, endlich einmal die Nase vorn zu haben und neben der ersten auch die hinteren Reihen zu füllen. Joachim Frisch

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