Polizei räumt Verstoß gegen Polizeigesetz ein

■ Debatte in der Deputation über die an dem „Chaos“-Wochenende eingesperten Punks / Die Überwiegende Mehrzahl war zwischen 14 und 21 Jahren

In einem zehnseitigen Bericht hat der Bremer Polizeipräsident auf die Fragen geantwortet, die die Grünen zu dem Polizeieinsatz an den sog. „Chaostagen“ gestellt hatten. Darin bestätigt die Bremer Polizeiführung wesentliche Vorwürfe der Grünen.

Auch nach dem Bremischen Polizeigesetz dürfen Personen nur eingesperrt („in Gewahrsam genommen“) werden, wenn festgestellt wird, daß von ihnen persönlich die Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit „unmittelbar bevorsteht“. Die eingesperrten Personen müssen „unverzüglich“ einem Richter vorgefürt werden, der die Begründung überprüft und den Betroffenen rechtliches Gehör gewährt.

Alle Berichte von Betroffenen der 315 eingesperrten Personen werfen der Polizei massive Verletzungen des Bremischen Polizeigesetzes vor. Polizeipräsident Lüken hat dies in seinem schriftlichen Bericht nun in wichtigen Punkten eingeräumt: Als „individuelle“ Begründung hatte die Polizei eine schematische Liste möglicher Vorwürfe vorbereitet, auf der die Polizeibeamten zutreffendes nur ankreuzen mußten. Aber selbst das passierte in keinem einzigen Fall. Das bedeutet: Bei einer gerichtlichen Überprüfung hätte es keine individuellen Vorwürfe gegeben.

Die Polizei hat diese richterliche Überprüfung offenbar auch peinlichst vermieden. „Unverzüglich“ wurde überhaupt niemand einem Richter vorgeführt, nach mehreren Stunden der Beraubung der individuellen Freiheit haben gerade 11 von 315 Eingesperrten die Chance einer richterlichen Überprüfung der Polizeimaßnahme gehabt. Acht wurden vom Richter sofort freigelassen. Einen Betroffenen, der einen Anwalt einschalten konnte, hat die Polizei sofort freigelassen, als das Gericht nach der Begründung der polizeilichen Einsperrung fragte. Vorwürfen von Betroffenen, sie seien daran gehindert worden, einen Anwalt einzuschalten, will der Polizeipräsident nachgehen. Einer der Betroffenen hat in seinem Gedächtnisprotokoll geschrieben, ihm habe der wachhabende Beamte am Eingang abgewiesen mit der Bemerkung: „Die Gerichte arbeiten am Wochenende nicht. Sie können das alles am Montag klären.“

Daß über hundert Personen in einer Großgarage ohne Sitzgelegenheit über Stunden eingesperrt wurden, begründete der Polizeipräsident den Innen-Deputierten gegenüber mit der zerstörerischen Gewalt, die in dieser Garage von ihnen ausgegangen ist. Offenkundig hatte die Polizei nicht geplant, so viele einzusperren. In einer Situation mußten sich 36 Personen mit 20 Verpflegungspaketen begnügen. Eine Teilung des Inhaltes sei „durchaus zumutbar“ gewesen, schreibt der Polizeipräsident. Zum Trinken wurde den Eingesperrten über Strecken lediglich eine „saubere mit Wasser gefüllte Wanne“, wie es der Polizeipräsident schreibt, zur Verfügung gestellt.

Gleichzeitig hat das Bremer Verwaltungsgericht gestern die schriftliche Begründung seines Urteils über die Platzverweise verbreitet. Dem Antragsteller, der aufgrund seiner Haarfarbe aus Bremen abgeschoben werden sollte, wird darin bestätigt: „Daß der Antragsteller durch sein Verhalten unmittelbar eine Ursache für diese (von der Polizei angeführte, d. Red.) Gefahr gesetzt hat, kann nicht festgestellt werden.“ Das bedeutet im Klartext: In Bremen darf niemand durch polizeiliche Maßnahmen seiner Freiheit beraubt werden, nur weil er „punktypisch“ oder anders typisch aussieht und im Internet irgendjemand zu provokativen „Gewalttagen“ in Bremen aufruft. Dies gerade sei der Unterschied zwischen dem Bremischen Polizeigesetz (auf das die SPD einmal stolz war), und dem Bayerischen: Der Freistaat Bayern kann in einer bestimmten Lage in die Grundrechte eines Menschen allein aufgrund der äußeren Erscheiung eingreifen. Nach dem Bayerischen Polizeigesetz wären die „Platzverweise“ rechtmäßig, formulieren die Richter, nach dem Bremischen muß der Person schon konkret ein Vorwurf zu machen sein.

Die Grünen, erklärte Martin Thomas gestern nach der Deputationssitzung, wollen in der Bürgerschaft einen „Mißbilligungsantrag“ gegen den Innensenator wegen der pauschalen polizeilichen Vorgehensweise und der Art der Unterbringung einbringen. Es sei „zynisch“, mit dem Begriff Gewalttäter alle in Bremen sich aufhaltenden Punks zu diffamieren, meinte der Grüne Innenpolitiker. Daß die Polizei überhaupt präventiv reagierte, unterstützen die Grünen. SPD-Sprecher Jens Böhrnsen meinte gegenüber der taz, er habe noch nicht alle Detailinformationen, um ein abschließendes Urteil abzugeben. Einer Mißbilligung des Innensenators würde sich die SPD vorraussichtlich aber nicht anschließen. Insgesamt bewerte er den Polizeieinsatz „positiv“. K.W.