■ Vorschlag: Kirksen und Quirckeln: Klang- Installationen in der daad-Galerie
Immer mehr Galerien, sonst stumme Orte der Augenkunst, bevölkern sich in letzter Zeit mit Klang. Momentan hat der Kanadier (und Wahlberliner) Robin Minard die Galerie des daad mit drei Arbeiten akustisch belebt, indem er in den visuell freundlichen, aber uncharakteristischen Räumen klangliche Biotope installierte. Gleich die Klanginstallation „Silent Music“ im Entree zeigt eine Zuneigung zur Natur. Hunderte „floraler“ Lautsprechergewächse streben aus der Sockelleiste bis auf Hüfthöhe die Wand empor, die Membranen ruhen auf dem Kabel wie Blüten auf dem Stengel. Sie verbreiten ein feines Zirpen und Knarzen, das in hundertfachem Durcheinander das akustische Unterholz eines tropischen Regenwaldes abbilden könnte. Was aus der Distanz, als Summe aller Geräusche, nach undifferenzierbarem Rauschen klingt, gewinnt nach kurzem Einhören wechselnde zarte Färbungen, aus denen auch vereinzeltes Kirksen und Quirckeln herausspringt und durch den Raum hinweg mit anderen Kletterpflanzen korrespondiert.
Nebenan, im Halbdunkel, entfaltet sich „Still/Live“, ein auf dem Boden sich ausbreitender Bewuchs von über tausend Kleinlautsprechern. Die Kolonie kauert sich in den Schlagschatten einer Säule und bildet ein Dreieck aus lückenlos gedrängten Schallkörpern, die wimmelnde Sounds absondern. Über die Fläche verlaufen wellenartige Prozesse mit an- und abschwellender Dynamik und wechselnder Bewegungsrichtung – nicht anders, als wenn eine Herde Tausender Tierchen sich erregt, dann panikartig in eine Richtung stiebt und sich nur allmählich wieder beruhigen würde. Ein anderes Prinzip verfolgt Minard bei „Horizont“. Als einziges Objekt des Raumes springt ein silberner Streifen ins Auge, ein Band aus Aluminiumfolie, das durch Lautsprecher angeregt ist. Während die beiden anderen Installationen einen freundlichen Klangteppich ausrollen, ist der Klang hier ein wenig fies: ein hochfrequentes Geräuschband mit typischem Metallknistern prasselt auf das Gehör ein, betäubt es bald und sorgt für ein Watte-im-Kopf-Gefühl.
Die Ausstellung zeigt Robin Minard abermals als Reduktionist, der, unter Beschränkung auf wenige homogene Elemente und deren ästhetisierende Anordnung, auf das permanente Changieren scheinbar einförmiger Zustände hinweist. Um es aufzunehmen, ist Zeit und Verzicht auf Spektakel vonnöten. Entlohnt wird man durch den Zustand heiterer Gelassenheit. Frank Hilberg
Bis 8.9., daad-Galerie, Kurfürstenstraße 58
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