piwik no script img

Birmas Militärs kerkern ihre Gegner ein

Das Regime läßt Dissidenten zu je sieben Jahren Haft verurteilen. Sie hatten die Armut im Land mit der Videokamera dokumentiert. Die Bundesregierung protestiert gegen die Urteile  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Mit harten Gefängnisstrafen und einer neuen Verhaftungswelle gegen Regimekritiker zeigt Birmas Militärregime dieser Tagen, daß es keinerlei Furcht vor internationalen Sanktionen hat. Die oppositionelle „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) teilte am Mittwoch mit, elf Dissidenten seien zu je sieben Jahren Haft verurteilt worden. Darunter befänden sich drei NLD- Mitglieder, einschließlich Win Htein, ein persönlicher Assistent der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie seien beschuldigt worden, die Armut auf dem Lande mit Videoaufnahmen dokumentiert zu haben. Außerdem seien unter den Verurteilten auch ein Mönch und eine Frau. Am Abend des gleichen Tages gab das Militär bekannt, es habe weitere 19 Personen wegen „Verschwörung zur Unruhestiftung“ festgenommen. Begründung: Sie hätten mit Exilbirmesen in Indien Kontakt gehabt. Die Gruppe hätte geplant, die „Stabilität und den Frieden“ in Birma zu zerstören.

Von den 250 NLD-Mitglieder, die die Junta im Mai festnehmen ließ, sind immer noch mehr als 20 von ihnen in Haft. Damals hatte die Oppositionsführerin einen Kongreß zur Erinnerung an den überwältigenden Wahlsieg der NLD vor sechs Jahren einberufen. Die jüngsten Urteile kommen wenige Tage nach einem Staatsbesuch der Juntaführung in Malaysia, wo die Generäle mit allen Ehren empfangen wurden. Malaysia gehört zu den wichtigsten Geschäftspartnern Birmas und zu den großen Förderern der politischen Integration des Landes in die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN. Der malaysische Regierungschef Mahathir hatte während der Visite von Junta-Chef General Than Shwe Mitte August keinen Hehl aus seiner Verachtung für die Birma-Kritik aus dem Westen gemacht. Die Junta brauche sich keine Sorgen über die Sanktionsdrohungen zu machen. Wenn die USA „Öl sehen, dann kommen sie“, so Mahathir.

Die elf Dissidenten, die jetzt verurteilt wurden, sollen sich bereits im Insein-Gefängnis der Hauptstadt Rangun befinden. In diesem Kerker für politische Gefangene sind in den vergangenen Wochen zwei enge Mitarbeiter der Oppositionsführerin gestorben. Die birmesischen Behörden ließen sie schnell und heimlich beerdigen.

Erst kürzlich hat ein ehemaliger politischer Gefangener, Win Naing Oo, einen Report über die elenden Bedingungen im Insein – der berüchtigtesten der 36 Haftanstalten Birmas – veröffentlicht. Titel: „Schreie aus dem Gefängnis“.

Win Naing Oo berichtet von systematischer Folter und Erniedrigungen durch die Wärter und Mitgefangene. In seiner Zeit im Gefängnis seien mehrere Insassen an Hunger, Ermattung und unbehandelten Krankheiten gestorben – einige wurden im letzten Augenblick entlassen, damit ihr Tod nicht den Behörden angelastet werden konnte.

Die Gefangenen erhielten zwei Mahlzeiten am Tag: Meistens stark mit Steinen und Ungeziefer verunreinigten Reis, etwas Fischpaste und sehr dünne Gemüsesuppe. Neben der alltäglichen Schikane – die Gefangenen durften sich zum Beispiel nur waschen, indem sie Wasser mit dem Suppenteller über sich gossen, auf Kommando, gleichzeitig, und nicht mehr als zehnmal – wurden die Häftlinge regelmäßig mit Plastikrohren, Bambusstäben oder Lederknüppeln geschlagen.

Gefangene in Einzelhaft wurden wochenlang in winzige Zellen gesperrt, wo sie ohne Decken auf dem feuchten, von Ungeziefer bedeckten Beton schlafen mußten. Zwischen ihre gefesselten Füße wurde horizontal eine 45 bis 60 Zentimeter lange Stange gehängt, die sie zwang, die Beine gespreizt zu halten. Nachttöpfe wurden nicht geleert.

Die Bundesregierung hat die erneute Verhängung von Haftstrafen gegen Regimegegner kritisiert. Entwicklungshilfeminister Carl- Dieter Spranger (CSU) warf der Junta in Rangun gestern „massive Mißachtung von international anerkannten Grundrechten“ vor. Eine entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Birma werde es deshalb nicht geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen