: Der Wettstreit der Sänger
■ Verdis „Don Carlos“ als Abschluß der Hamburger Opernwoche
Wenn Plácido Domingo irgendwo singt, ist es unwahrscheinlich, daß er eine Woche vorher auftaucht, um eifrig zu proben. Weitaus wahrscheinlicher ist es, daß die Veranstaltung ein reiner Domingo-Abend wird, bei dem sich alle nach dem Meister zu richten haben. Viele wollen gar nichts anderes, bezahlen viel Geld für ihre Eintrittskarte und sind am Ende ganz, ganz glücklich.
Problematisch wird es allerdings, wenn acht Gäste zusammen eine Oper bestreiten und unter ihnen mindestens vier sind, die sich nicht nur „Weltstars“ nennen dürfen, sondern sich auch als solche verhalten. Das hat dann etwas von einer Jam Session in Abendgarderobe, wie am Wochenende bei der letzten konzertanten Aufführung im Rahmen der ersten Hamburger Opernwoche in der Musikhalle. Diesmal gab es Verdis Don Carlos, und schon zu Beginn zeigte Francisco Araiza seinem Duett-Partner Frederick Burchinal (kurfristig als Rodrigo eingesprungen für Leo Nucci) und dem Dirigenten Ralf Weikert, wer in mehrerlei Hinsicht die Hauptrolle spielte. Nach wenigen fehlgeschlagenen Versuchen, Orchester, Tenor und Bariton in Einklang zu bringen, fügte sich der Maestro den Herrschenden. Musikalische Leitung: „Stars“. So er- quickte sich auch das Publikum lieber an wahrhaft schönen Stimmen, anstatt wegen grober interpretatorischer Stolpereien die Hände überm Kopf zusammenzuschlagen.
Ein weiterer Besetzungswechsel rief zunächst reichlich „Ohs“ und „Ahs“ bei den Zuhörern hervor: Statt Gabriela Benackova-Cap sang Anna Tomawa-Sintow die Elisabeth, hielt jedoch nicht ganz, was ihr Name versprach. Zu lang dauerte immer wieder die Suche nach dem rechten Ton, und lästiges Zittern beherrschte die Stimme, wo ein angenehmes Vibrato gefragt war. Absolut über den Dingen stand da Ruggero Raimondi (Philipp II.), dessen beeindruckend mächtiger Baß-Gesang wie eine Selbstverständlichkeit aus ihm herausdonnerte.
Großartige Leistungen boten auch die sichere und kräftige Violeta Urmana (Eboli) und der farbenfrohe Baß des Harald Stamm (Großin -quisitor). Ein wunderbar festliches Meistersänger-Event eben, mit vielen Einzel-Höchstleistungen und ohne Anspruch auf ein Großes, rundes Opernerlebnis.
Nele-Marie Brüdgam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen