: Unsicherheit durch Stadteinfärbung
■ Sprayer erfolgreich verfolgt / Hauseigentümer setzen auf Selbsthilfe statt Anzeigen / Auch Kinder müssen später zahlen
Im April hat die achtköpfige „Ermittlungsgruppe Graffiti“ den Kampf gegen gleichnamige und andere „Farbschmierereien“ aufgenommen und schon stattliche Erfolge vorzuweisen: Rund 200 leichtsinnige Jugendliche wurden bislang aufgespürt. Ein aufmerksamer Zeuge lieferte den Spezialisten nun sogar fotografische Dokumente von strafbaren Sprüh-Handlungen. In einem Luruper Drogeriemarkt wurden Fotos von Graffiti sichergestellt; der Fotograf hat sich noch nicht vorgestellt.
Die Beamten haben Film und Abzüge an sich genommen, da der Verdacht einer strafbaren Handlung bestehe, erklärt Polizeisprecher Wolfgang Ketels. Denn die fotografierten Graffiti seien teilweise auf nicht legale Flächen gesprüht worden; häufig würden Sprayer ihre eigenen „Bilder“ fotografieren. „Fotografieren ist ein legales Hobby“, hält Barbara Uduwerella vom Graffiti-Projekt „Hip Hop Hamburg“ entgegen. „Und dagegen ermitteln sie jetzt auch.“
Für eine „drohende Unwirtlichkeit der Städte“ werden in einer vertraulichen Senatsdrucksache nicht nur Obdachlose und Junkies, Hundekot und wilde Müllhalden verantwortlich gemacht (taz berichtete). Auch „Graffiti/Farbschmierereien“ wird ein Kapitel gewidmet und darin ein „hohes Ausmaß von Betroffenheit in der Bevölkerung“ ausgemacht. Bei einer Häufung von Graffiti an Gebäuden werde damit sogar eine insgesamt negative Kriminalitätsentwicklung assoziiert und das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beeinträchtigt.
Wie hoch der durch Graffiti oder vielmehr durch deren Entfernung entstehende Schaden ist, läßt sich für Hamburg jedoch nicht beziffern. Derartige Schäden werden meist unter „Vandalismus“ verbucht. Allein die Hamburger Hochbahn AG soll aber jährlich zweieinhalb bis drei Millionen Mark für die Beseitigung von „Graffitischäden“ zahlen, die SAGA habe 1994 1,8 Millionen ausgegeben.
Die gesprühten „tags“ und „pieces“ gelten strafrechtlich als Sachbeschädigung, die normalerweise nur auf Antrag des Eigentümers verfolgt werden. Und die „Anzeigebereitschaft“ der privaten Geschädigten, heißt es in der Drucksache, sei äußerst gering ausgeprägt. Mancherorts beschäftigen Bewohner statt dessen private Sicherheitsunternehmen oder bieten Belohnungen für das Dingfestmachen von Sprayern an.
Zivilrechtlich belangt werden aber können selbst strafunmündige Kinder unter 14. Wenn ein Schadensersatzanspruch festgestellt wurde, kann er während eines Zeitraums von 30 Jahren ab Volljährigkeit des Verursachers eingefordert werden. Laut Senatsdrucksache sei es also denkbar, daß ein sehr junger Mensch sich durch illegales Sprayen auf lange Jahre hoch verschuldet. Um der Abschreckung willen wird dies jedoch gebilligt: Die polizeilichen Maßnahmen dienen dazu, „die Voraussetzungen für zivilrechtliche Ansprüche zu schaffen und auf diese Weise die Sprayerszene von weiteren Taten abzuhalten.“ Stefanie Winter
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