: Zur Perfektion geschliffen
■ Die Hamburg-Premiere von Steely Dan wird ein ganz besonderes Vergnügen: Donald Fagen und Walter Becker werden auch neue Meisterwerke zelebrieren
Eigentlich merkwürdig, daß ausgerechnet Steely Dan von vielen Leuten – den Autor dieser Zeilen inbegriffen – für die beste Band aller Zeiten gehalten werden. Denn der Ausdruck „Band“ ist hier eigentlich falsch: Steely Dan ist nie mehr gewesen als eine Songwriter-Partnerschaft.
Auf den ersten drei, zwischen 1972 und 1974 veröffentlichten Platten versuchten Walter Becker und Donald Fagen noch den Schein zu wahren und posierten gemeinsam mit einigen der beteiligten Musikern für Gruppenfotos. Als sie dann jedoch beschlossen, keine Konzerte mehr zu geben, verlor die Existenz auch einer Rumpfband jede Berechtigung. Statt dessen schlossen sie sich für fünf Jahre mit handverlesenen Studiomusikern in das teuerste Tonstudio New Yorks ein und produzierten dort Musik von solchem Feinschliff, der im Pop-Sektor weder vorher noch nachher erreicht wurde.
Obwohl sie sich als Rockband ausgaben, waren Becker und Fagen in Wirklichkeit Jazz-Snobs, die die Popmusik ihrer Zeit nicht besonders ernst nahmen. Donald Fagen: „Wir hatten unseren Jazz-Background, aber liebten Blues. Also war es für uns naheliegend, auszuprobieren, wie Jazz auf Blues-Instrumenten klingt. Es hatte eine gewisse Komik, es war so: Wie macht sich Jazz auf diesen irrsinnigen Instrumenten? Und nach einer Zeit war es: Wie klingt wohl Reggae mit richtig abgefahrenen Jazz-Akkorden? Wir wollten zwar nicht gerade eine Komikertruppe sein, aber wir hatten doch sehr viel Spaß bei der Kombination unterschiedlicher Genres.“
Und heute? Von 1980 bis 1993 machten Steely Dan Urlaub. Becker brachte es auf genau eine Soloplatte, Fagen auf zwei. Anfang der neunziger Jahre fand man auf Umwegen wieder zusammen und ging schließlich auf eine US-Tour, deren überwältigenden Erfolg wohl keiner der Beteiligten erwartet hatte.
Weitere Tourneen etablierten Steely Dan als einen der erfolgreichsten Live-Acts der neunziger Jahre, die Herren Becker und Fagen wurden der ganzen Angelegenheit jedoch schon wieder müde. Hatte es ihnen zunächst großen Spaß bereitet, im Studio ausgetüftelte Kompositionen wie „Aja“ oder „Babylon Sisters“ von einer Band gespielt zu hören, nutzte sich dieser Reiz mit der Zeit ab. Beiden wurde klar: Neue Songs müssen her.
Der Auftritt im CCH wird also nicht nur ein legendäres Ereignis, weil er das erste Hamburger Steely-Dan-Konzert überhaupt ist. Vielmehr dürfen wir Hanseaten uns freuen, mit zu den ersten Menschen zu gehören, die einige der Kompositionen zu hören bekommen, die für das erste Studioalbum seit dem 1980er Meisterwerk Gaucho gedacht sind. Die Aufnahmen beginnen gleich nach Beendigung der Europa-Tour, geplanter Erscheinungstermin ist Anfang des kommenden Jahres.
Aber bei dem Perfektionswahn von Becker und Fagen kann sich das Ganze auch bis ins nächste Jahrtausend ziehen.
Detlef Diederichsen Fr, 6. September, 20 Uhr, CCH
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