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Ackerbesetzung mit Erfolg

■ US-Gen-Tech-Firma Monsanto zieht ihren Feldversuch in Oberboyen bei Hoya zurück

Die 23jährige Nine sitzt gemütlich auf einem Strohballen und beißt in ein Erdnußbutter-Brötchen – gemeinsam mit 30 anderen jungen Naturschützern hat sie 11 Tage lang ein Feld in Oberboyen bei Hoya besetzt. Dort wollte die kanadische Gen-Tech-Firma Monsanto genmanipulierten Raps aussäen – doch sie hat kapituliert: „Wir ziehen uns ganz aus Oberboyen zurück“, kündigte gestern Projektleiter Andreas Amann an. Jeden Zentimeter Sand hatten die BesetzerInnen mit Stroh bedeckt – eine wirksame Waffe im gewaltlosen Kampf gegen einen gentechnischen Feldversuch.

Es ist 11 Uhr morgens und die FeldbesetzerInnen sitzen gemütlich bei Tee und Brötchen zusammen. Noch wissen sie nicht, daß Monsanto aufgegeben hat. Solidarische Grüße erreichten sie per Post: In einem selbstgezimmerten Briefkasten am Feldrand kam gestern die erste Postkarte an, adressiert an die „stillen Weidelgräser, Auf dem Acker, 27318 Hilgermissen“. „Die Bürger sind auch unheimlich solidarisch“, sagt Nine, die bald Gartenbau studieren will und in der Verdener Arbeitsgruppe Gentechnik aktiv ist. Über 3.000 Einwendungen hatten die Hoyaer an das Robert-Koch-Institut geschickt, der Genehmigungsbehörde für gentechnische Feldversuche in Deutschland. Doch das Institut genehmigte, weil keine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt bestehe. Das beteuert Projektleiter Andreas Amann von der Firma Monsanto auch nach wie vor: „Wir gehen eher von einer Entlastung für die Umwelt aus“, erklärt er. Denn durch den manipulierten Raps könne man sanftere und viel weniger Herbizide auf das Feld sprühen. Alle anderen Unkräuter würden abgetötet und nur der Raps bleibe stehen. Doch damit sei jetzt Essig. Denn am Montag hatten er und zwei Mitarbeiter mit Harken versucht, das Feld vom lästigen Stroh zu befreien – doch ohne Erfolg. Die 100.000 Mark teuren Saatmaschinen würden einen Einsatz nicht überleben, ist sich Amann sicher – außerdem würde durch die Besetzung die Sicherheit seines Personals sowie des Pachtbauern gefährdet, „und dafür trage ich die Verantwortung“. Die Folge: Monsanto zieht sich aus Oberboyen zurück, mit finanziellen Schäden von bis zu 60.000 Mark. „Das haben wir auch allen Behörden bereits mitgeteilt“, so Amann in seinem Büro in Düsseldorf. Daß sein Angebot an die Besetzer am Montag nicht angenommen wurde, kann der Projektleiter nicht verstehen. Er hatte vorgeschlagen, die Besetzer von nebenan zuschauen zu lassen. „Wir wollten keine Eskalation“.

Toilettenwagen hatten sie der Truppe angeboten. „Ganz toll, haben wir denen gesagt, aber das mit der Aussaat, das sollten sie sich noch mal überlegen“, sagt Nine. Für die 23jährige sind Amanns Ausführungen über Gentechnik nur „hohle Versprechungen“. Das Raps-Gen kreuze sich mit artverwandten Wildkräutern „und dann bringt das gar nichts mehr“, sagt sie. Sven amüsiert sich derweil über eine Geschichte, die er jüngst aus einer Mail-Box gezogen hat: Hungrige Eulenfalter hätten ein gentechnisch gegen Insekten resistent gemachtes Baumwollfeld „radikal abgefressen“. Eine Story, die sein Gegenüber, die 29jährige Karen Mellenhausen, gar nicht lustig findet: „Die Insekten scheiden das Zeug doch auch wieder irgendwo aus“. Karen hält ihre beiden Kinder im Arm. Sie setzt auf biologisch-dynamischen Lebensmittelanbau, „weil mein dreijähriger Sohn Neurodermitis hat“. Karen arbeitet auf einem Biogemüsehof und befürchtet, daß genmanipulierte Lebensmittel schwere Allergien auslösen können. Ihr Sohn knabbert derweil an einem Brötchen. Doch da gebe es auch noch ein ethisches Problem, erklärt Nine: „Wir wollen nicht, daß einige große Firmen einfach so über Gene verfügen können.“ Die lustige Runde wird für einen Moment still.

„Fortschritt ist das, Fortschritt“, skandiert ein alter Mann am Feldrand, direkt neben dem Briefkasten des Felddorfes – er ist mit zwei Nachbarn nach Oberboyen gekommen. „Nö, nö“, sagt ein anderer in niedersächsischem Platt, „auch auf dem Land muß Fortschritt möglich sein“. Daß Monsanto-Projektleiter Amann am Montag einfach nicht aussäen konnte, „weil das ganze Stroh da liegt“, finden die Männer nicht gerecht. „Der hat doch eine Genehmigung“. Wegtragen hätten sie die jungen Leute müssen, findet ein anderer, „wie in Gorleben“. Fortschrittliche Tragen hätte die Polizei da jetzt entwickelt, um sitzende Demonstranten wegzuschleppen. „Damit sie es nicht im Rücken kriegen.“ Die beiden Polizeibeamten juckt das wenig: Sie sind nur gekommen, um das Feld zu fotografieren. „Hier liegt Sachbeschädigung vor“, sagt einer und deutet auf etwa acht in den Boden gestampfte Pfähle. „Wir denken jetzt über rechtliche Schritte nach“, sagt Monsanto-Projektleiter Amann. Während die Firma Monsanto in Düsseldorf ihre Wunden leckt, räumen auch die fortschrittsgläubigen alten Männer das Feld. Sie haben genug gesehen. Der alte Mann steigt in seinen klapprigen Fiesta – doch die Batterie streikt. Sechs Naturschützer schieben die alte Karre an. kat

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