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Besser Bewerben: Fit für die Situation X

Kein Glück bei der Jobsuche? Vielleicht hilft ein gezieltes Training ... Anbieter gibt es viele  ■ Von Tobias Rapp

„Erfolgreich bewerben!“ oder „Wie überzeuge ich einen Arbeitgeber?“ – ein Blick in die Anzeigenteile von Stadtmagazinen fördert einige solcher Inserate zutage. Geworben wird für Bewerbungstraining. Wenn es mit der Wirtschaft bergab und mit den Arbeitslosenzahlen bergauf geht, wecken solche Angebote Hoffnungen. Vielleicht liegt die berufliche Misere ja nur daran, daß man sich schlecht verkauft. Was fehlt ist ein Training, und schon klappt es mit dem Job...

„Manche Leute die zu mir kommen, haben dreißig oder vierzig Bewerbungen abgeschickt, ohne eine positive Antwort zu bekommen“, sagt Michael Escrihuela, vom Forum für Arbeit und Projekte. Er bietet Bewerbungstrainings an. Für 80 Mark kann man sich bei ihm für die nächsten Bewerbungen fitmachen lassen. Mit einem Abend ist es allerdings nicht getan, für Escrihuelas Training müssen die Teilnehmer viel Zeit mitbringen. Vier Tage wird sich jeweils fünf Stunden lang auf die Situation X vorbereitet.

Das Training besteht aus zwei Teilen: Zunächst geht es um das Erstellen der Bewerbungsmappe. Denn, so Escrihuela, an allen Bewerbungsschreiben, die ihm bisher untergekommen seien, habe es etwas zu verbessern gegeben. Im zweiten Teil wird dann das Bewerbungsgespräch mit Videounterstützung geprobt. Für Michael Escrihuela ist das wichtiger als alles andere. Hier könne man die Situation durchspielen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Es sei eben ein Freischuß. Zusätzlich lerne man aber auch Menschen in einer ähnlichen Situation kennen. „Das schweißt die Leute zusammen“, sagt er. Von Crashkursen hält der Diplom-Psychologe nichts: „Damit neue Gedanken entstehen, braucht man Zeit.“ Deshalb hält er die Gruppen auch klein. Mehr als acht Teilnehmer dürfen es nicht sein. Nur so könne eine Gruppe an der notwendigen Dynamik gewinnen.

Bettina Wendlandt von Teamgeist Berlin bietet ebenfalls Bewerbungstrainings an. Auch für sie ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen. Jedem Teilnehmer müsse Raum gegeben werden, seine eigenen Fähigkeiten zu analysieren und ein eigenes Profil zu erstellen. Und das sei gar nicht so einfach. Jeder müsse sich Fragen stellen wie: Was kann ich tun? Was will ich? Der Weg zur Bewerbung sei genauso wichtig wie das Gespräch selbst. Wenn man seine Haut schon zu Markte tragen müsse, gehe es darum, sie möglichst vorteilhaft zu plazieren. Den Rest hält Bettina Wendlandt für nicht entscheidend. Wie eine Bewerbungsmappe auszusehen habe, könne jeder zu Hause nachlesen.

Bettina Wendlandt und ihr Mann Harald sind alte Hasen im Bewerbungstrainingsgeschäft. Die beiden Diplom-Psychologen sind seit Mitte der siebziger Jahre dabei. Und sie merken, daß sich die Arbeitsmarktsituation im Laufe der Jahre verschärft hat. Die gesellschaftliche Situation spiegle sich auch in den Bewerbungstrainings wieder. In den siebziger und achtziger Jahren sei der Arbeitsmarkt aufnahmefähiger und die ökonomische Not noch nicht so groß gewesen wie heute. Damals war, sagen sie, die reine Qualifikation noch mehr wert. In den vergangenen Jahren sei die Fähigkeit, sich geschickt zu verkaufen, stärker in den Vordergrund getreten.

Das Publikum ihrer Veranstaltungen sind vor allem Angestellte. Oft Hochschulabsolventen oder Leute aus dem Dienstleistungsbereich. Seit einigen Jahren nehmen zunehmend Ostdeutsche an ihren Trainings teil. „Das sind meist hochqualifizierte Leute, die in Führungspositionen gearbeitet haben.“ Sie hätten ihre Arbeitsplätze verloren. Dem Wiedereintritt ins Erwerbsleben stehe vor allem die Schwierigkeit beim Verkaufen ihrer Fähigkeiten im Weg. Daran seien sie nicht gewöhnt. Diesen Teilnehmern diene ein Bewerbungstraining vor allem, um ihre Fähigkeiten und Qualifikation an ein anderes Wirtschaftssystem anzupassen.

Alle Besucher ihrer Veranstaltungen, ob Ost- oder Westdeutsche, ob Hausfrau oder Akademiker, verbindet jedoch das gleiche Anliegen, sagt Bettina Wendlandt: „Wie kann ich meine Fähigkeiten besser verkaufen?“ Von den Arbeitsämtern würden zwar im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen ebenfalls Bewerbungstrainings angeboten. Doch dort, so Wendlandt, seien die meisten Leute ohnehin nur, um nicht den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe zu verlieren, dementsprechend sei auch die Motivation der Teilnehmer und die Qualität der Veranstaltungen.

Ob es nach dem Bewerbungstraining allerdings klappt mit dem Job, steht in den Sternen. Rückmeldungen von glücklichen Seminarteilnehmern, die alle anderen Bewerber aus dem Feld schlagen konnten, um sich ihren Traumposten zu sichern, hat Bettina Wendlandt noch nicht bekommen. Beschwerden, daß die ganze Überei auch nichts genützt habe, allerdings genausowenig.

Teamgeist Berlin, (erreichbar unter Telefon 8112093), bietet am 21./22. September das nächste Training an; das Forum Arbeit und Projekte e.V., Telefon: 3231053, vom 24. bis 27. September

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