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Haste mal 'ne Problem?

■ „Die Kunst zu werben“: eine Ausstellung im Altonaer Museum beschäftigt sich mit der Geschichte der Werbung in den letzten hundert Jahren

Ein Ergebnis der Industrialisierung ist die verpackte, qualitätsgleiche Ware. Mit Goldmedaillen auf internationalen Ausstellungen versehen, mußten ihre Vorzüge vor den normalen Dingen beim Händler an der Ecke herausgestellt werden. So beginnt im letzten Jahrhunderts die Produktwerbung für Markenartikel. Mit Werbemitteln aller Art, mit Filmen, Verpackungen, Automaten, Blechschildern und mit Kunst zum Thema zeigt jetzt eine Ausstellung im Altonaer Museum Dokumente und Artefakte zu dem Kulturbereich, der oft prägender ist, als man es wahrhaben will.

Von ATA zu ZÜST, von HB zu McDonald's (die beiden Hauptsponsoren) sind Hunderte von bekannten und vergessenen Materialien versammelt.

Auch wenn es niemandem heute mehr in den Sinn käme, eine Zigarette Problem zu nennen, gibt es die meisten der klassischen Marken bis heute – keine Selbstverständlichkeit bei jährlich um die 35.000 Neuanmeldungen von Marken.

Ein Jahrhundert Werbung, das ist auch ein Jahrhundert deutscher Geschichte in teilweise absonderlicher Verzerrung. Der Sarotti-Mohr bedarf keiner weiteren Erläuterung, der Exotismus der Bahlsen-Kekse namens TET schon eher. Immerhin wurde diese Backware mit der altägyptischen Hieroglyphe für „ewig“ versiegelt – was aber Schaufensterpuppen nicht hinderte, den Keks in barocker Phantasiekleidung anzupreisen. Für den Verbraucher kaum entschlüsselbar, wurde TET schon seit 1904 zu einer Art Corporate Identity. Überhaupt der Orient! Rauchwaren trugen bis 1914 möglichst exotische Namen, die Tabakfabrik „Yenidze“ in Dresden wurde gar in Form einer Moschee erbaut. Doch im Krieg ist der Flair der Ferne nicht gefragt. Die Zigaretten heißen statt „Gibson Girl“ nun schlicht „unser Kaiser“. Aus der ohnehin schon „Tiefschwarzen Kaisertinte“ wurde die „Unzerstörbare Deutsche Reichs-Tinte“.

Erscheint dies als originelle Geschichte, entsprechende Anbiederungen 25 Jahre später tun noch weh: So wird der Mercedes-Benz unter dem Hakenkreuz nur in einer kleinen Fotokopie versteckt.

„Ob Werbung Kunst ist, hängt davon ab, wofür sie wirbt“, schrieb Joseph Beuys 1984. Jedenfalls ist sie ein Zeichen der Kultur, das die Pop Art und vor allem Andy Warhol schon seit Ende der Sechziger Jahre in den Kunstbetrieb zurückgeholt hat. Immer wieder hatten Künstler für die Werbung gearbeitet, jetzt wurde diese selbst zum Gegenstand der Kunst. Dafür bietet diese Ausstellung manche Beispiele: Kollagen von Schwitters, Pop Kunst von Vostell und Paolozzi, Kritisches von Klaus Staeck und Barbara Kruger, das „Odol“- Bild von Dokupil und Werbung von Ed Ruscha und Keith Haring. Auch die immer noch umstrittenste Kombination von Kunst, sozialem Engagement und Werbung, die Kampagnen von Benetton, fehlen nicht.

Hajo Schiff

Altonaer Museum, bis 12. Januar; Katalog, in der Ausstellung 48 Mark. CD-Rom zur Geschichte des Werbefilms 58 Mark.

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