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Für die Ewigkeit

■ Eine CD-ROM mit deutscher Netzkunst spart Telefonkosten. Sonst ist alles fast so wie im richtigen Leben

Wer es als Künstler schnell zu Ansehen und Sozialprestige bringen will, hat heute zwei Möglichkeiten: entweder er verdingt sich als DJ, oder er „macht was im Netz“. In der letzten Zeit sind darum auch aus dem deutschsprachigen Raum zahlreiche Kunstprojekte ins Internet eingedrungen. Das Institut fur Audiovisuelle Medien der Universität Hildesheim und der Sonderforschungsbereich „Bildschirmmedien“ der Gesamthochschule Siegen haben zum Medienfestival in Osnabrück eine Auswahl davon auf einer CD- ROM herausgegeben.

„Of(f) the Web“ heißt sinnig das Werk für PC und Mac, zu bestellen mit E-Mail an emaf @bionic.zerberus.de, außerdem zu bewundern unter http://www .uni-hildesheim.de/ami/. Nach einem mystisch bunten Farbfleck folgt allerdings eine fehlerhafte Rahmenseite. Offline dagegen ist viel deutsche Netzkunst zu betrachten, aber auch die Homepages von verdienten deutschen Netizens und Institutionen wie der Bionic-Mailbox. Eine eigentümliche Mischung aus Reader und Multimedia-Applikationen: Anspruchsvolle Texte aus der Nettime-Mailingliste, Netzaktivisten unter dem amerikanischen Dach „Mediafilter.org“, die akademisch deutsche Netzzeitschrift „Telepolis“ stehen neben interaktiven Albernheiten wie „Chicken“.

Auf der „Künstlerliste“ finden sich Files der „Agentur Bilwet“, von Padeluun und Rena Tangens, Eva Grubinger, Pool Processing, Mamax, Stelarc, Kathy Rae Huffman und Mark Amerika. Viele gehören zum Reisekader, der bei den einschlägigen Konferenzen und Symposien zum Thema Internet in Deutschland zur Grundausstattung gehört.

Warum also war eine CD-ROM nötig? Es scheint unter den Digiterati nach wie vor ein Bedürfnis nach Materialität und Dauer zu geben – und wenn es nur die Materialität einer kleinen Silberscheibe ist, die man getrost nach Hause tragen kann. Produzent Heiko Idensen schreibt zwar in einem Text über Rom: „Der Wunsch, das gesammelte kollektive Gedächtnis auf ein Speichermedium zu bannen, manifestiert sich im Mythos, der im Lauf der Kulturgeschichte verschiedene Formen durchläuft: Göttliche Komödie, die Arche Noah, Buch der Bücher, das Labyrinth der Bibliothek, die Enzyklopädie, Dokuverse, das Internet.“ Doch anders als Dantes Text und Gottes Wort über die Sintflut, die nur 40 Tage und 40 Nächte dauerte, ist das Netz ununterbrochen „under construction“: Pro Stunde kommen Millionen neuer Daten hinzu, während andere für immer offline gehen.

In amerikanischen Fachzeitschriften ist in letzter Zeit darum die Idee aufgetaucht, daß es langsam an der Zeit sei, ein Cyberspace-Museum für online entschwundene, trotzdem schützenswerte Kulturgüter einzurichten. Vielleicht werden wir darum ja bald viele Hardwarespeicher (CD-ROM, Disketten, Streamer) sehen, die versuchen, den flüchtigen Daten Ewigkeit zu verleihen. Unter dem Ordner „Zensur“ versammelt „Of(f) the Web“ Webpages von EFF, EPIC und Hotwired zum Thema „CDA“ sowie deutschsprachige Dateien zum Telekommunikationsgesetz. Diese Seiten werden im Internet irgendwann verschwinden.

Eine CD-ROM ist aber auch aus ganz pragmatischen Gründen nützlich: Viele der hier versammelten Arbeiten waren bislang auf langsamen, schwer zugänglichen Servern abgelegt, und es konnte unerwünschte Ewigkeiten dauern, bis man zum Eva Grubingers „Netzbikini“ vom Rechner der Internationalen Stadt Berlin heruntergeladen hatte. Offline sieht man nun endlich mal die ganzen Java-Applets und Shockwave-Animationen, bei denen man sonst immer auf den „Stop“-Button klickt. Außerdem ist das Gefühl angenehm, der Telekom ein Schnippchen zu schlagen. Deren Mondtarife haben das Internet in Deutschland bislang zu einer Sache für Nerds und Spezialisten gemacht.

Deutsche Netzkunst unter Ausschluß der einheimischen Öffentlichkeit war nun freilich nicht Sinn der Sache, wenn denn das Internet das versprochene Universalmedium sein will. Das heißt freilich auch nicht, daß „Of(f) the Web“ endlich so leicht zugänglich ist, wie es auf dem Information-Superhighway eigentlich sein soll. An bloße Userfreundlichkeit haben die Macher nicht gedacht. Im Pressetext heißt es ausdrücklich: „Greift euch heraus, womit ihr etwas anfangen könnt, arbeitet mit dem Material, macht etwas draus ... denn letztlich geht es natürlich nicht darum, diese CD-ROM als etwas Abgestandenes, Festes zu archivieren, zu sammeln oder gar zu ,besitzen‘. Man sollte sie eher verschenken...“ So klickt man brav auf Folder-Icons und rät, was hinter den Dateinamen im DOS-Format wohl steckt. Der nichtlineare Zugriff erleichtert die Orientierung auch nicht. Es fehlt eine Suchfunktion, manchmal bleibt der Browser hängen, es gibt versteckte Dateien, und manche Links führen ins Leere. Also fast wie im richtigen Leben. Tilman Baumgärtel

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