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Warum Liberale Distanz zu Labour halten wollen

■ Großbritanniens Liberale sehen sich als wahre Linke und fordern Reformen

Dublin (taz) – Ein Löwe ohne Brüllen – das haben die Torys aus Großbritannien gemacht, erklärte Paddy Ashdown seiner Partei im englischen Seebad Brighton. Wie immer haben die Liberalen Demokraten in dieser Woche die herbstliche Saison der Parteikonferenzen eröffnet. Und wie immer steht ganz obenan die Frage, wie sie es denn mit der Labour Party halten. Tony Greaves, Stadtrat aus Lancashire, will sie auf Abstand halten. Die Liberalen seien die wahren Linken, findet er, und werden sich vor dem Zulauf der „radikalen, jungen, gebildeten 20jährigen im öffentlichen Dienst und mit Sozialbauwohnungen“ kaum retten können. Zumindest auf der Rahmenveranstaltung mit dem Titel „Warum wir mit der Labour Party nicht ins Bett gehen wollen“ stimmte man ihm zu. Aber da war der Abgeordnete Alex Carlile nicht dabei. Er hatte in einem Fernsehinterview gleich zu Beginn der Parteikonferenz langfristig eine Fusion der Liberalen mit Labour zu einer liberaldemokratischen oder sozialdemokratischen Partei prophezeit.

Allerdings hat er Narrenfreiheit, weil er zu den Wahlen aus der Politik aussteigt. Das schützte ihn freilich nicht vor der Schelte des Parteiführers Ashdown, der die Liberalen – ebenfalls langfristig – zur stärksten Partei im Lande machen will. Vorerst kann er aber nur auf ein hung parliament – ein Parlament ohne absolute Mehrheit für eine Partei – hoffen, um den Liberalen Gewicht zu verschaffen. Aber das hat es aufgrund des Mehrheitswahlrechts seit dem Zweiten Weltkrieg in Großbritannien nicht mehr gegeben.

So hat die Wahlrechtsreform für Ashdown Priorität, damit kleinere Parteien größere Chancen haben. Da sie bei den nächsten Wahlen, die spätestens im Mai stattfinden müssen, nicht in die Verlegenheit der Regierungsbildung kommen werden, müssen sie dem Stimmvieh nicht ganz so sehr wie Labour und die Torys nach dem Mund reden. Ashdown spricht ganz offen von einer Steuererhöhung, um das Bildungswesen zu verbessern: „Soll uns das Geld in unseren Taschen wichtiger sein als das Wissen in den Köpfen unserer Kinder?“

Weitere Programmpunkte bei den Liberalen sind eine Charta für Bürgerrechte und Regionalparlamente für Schottland und Wales. Die englischen Regionen könnten sich per Referendum eigene Parlamente herbeiwählen, in denen über Bildungs- und Gesundheitspolitik entschieden wird. Dadurch würde auch das Londoner Unterhaus entlastet werden.

Nur die Monarchie bleibt unangetastet, denn diese Kröte würden die WählerInnen nicht schlucken. Doch die Queen dürfte nicht mehr länger den Premierminister ernennen, wenn es nach den Liberalen ginge. Das würde dem Parlament vorbehalten sein. Auch die Lords kämen nicht ungeschoren davon: Das Oberhaus soll durch einen gewählten Senat ersetzt werden. Und man will mit der Sitte aufräumen, daß der Premierminister – innerhalb eines recht weit gefaßten Rahmens – den Wahltermin frei bestimmen darf. Die Liberalen plädieren für eine fest umgrenzte Legislaturperiode.

Beim Reformieren sei Eile geboten, meint Robert Maclennan, der Präsident der Liberalen Demokraten. „Wenn die Konservativen abgelöst sind, und die Reform wird zur Flickschusterei oder gar verschlafen, bietet sich vielleicht nie wieder eine solche Gelegenheit“, sagte er.

Colin Eldridge, Kandidat aus Newbury, hält die ganzen Reformvorschläge für Pipifax. Er will mehr: eine ovale Unterhaus-Kammer, Abstimmung per Knopfdruck und Umwandlung des Westminster-Palastes in ein Museum, damit dieser „betrügerischen Hauruck- Politik“ endlich ein Ende bereitet wird. Ralf Sotscheck

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