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Die Hipness dritter Ordnung

■ Subvention ist nur ein anderes Wort für Marketing: das Fanzine „evidence“

Das Faszinierende an unserer von wohlmeinenden Sponsoren getragenen Medienwelt ist, daß sie die KonsumentInnen immer intelligenter macht. Angefangen hat das mit Paul Lazarsfeld, der die Marktforschung erfunden und sich selbst als „Marxisten auf Urlaub“ bezeichnet hat. Weiter geht's mit Spex lesenden Politologiestudenten, die in Werbeagenturen arbeiten gehen müssen, und am Ende sieht man sich politisch korrekten Untertiteln auf der einen Seite oder Fanzines wie evidence – „berlin clubland music style security“ – auf der anderen Seite gegenüber: Subvention ist nur ein anderes Wort für Marketing.

Themen des aktuellen „Heroin Issue“ sind unter anderem Trainspotting und Transrapid. Dazwischen mehr oder minder obskure Anzeigen. Neben dem Hinweis auf eine neue Galerie sind das die jüngste LP der „Goldenen Zitronen“ und ein ernsthaft dreiblikkender junger Mann, der in einem Hugo-Boss-Anzug steckt. Spätestens hier fragt man sich: Ist das echt? Und um diese Paranoia des durch Vielfachmediennutzung manipulierten Blicks und dem daraus resultierenden Wunsch nach einfachen Wahrheiten geht es natürlich: „Lesen kann ich schließlich wenn ich tot bin.“ Dementsprechend handelt die Security-Rubrik des Hefts in bester Focus-Manier von „Abgeordnetenparanoia 2000“, inklusive Sicherheitscharts zu den Bezirken „Wedding – PLUS – nur noch fünf Minuten mit dem Auto – MINUS – sieht scheiße aus – SECURITY 60%“ Da fehlen eigentlich nur noch die Infografiken.

Andererseits zeigt sich evidence bestens informiert über die kleinsten Mikrotrends und macht das Spiel des Immer-schneller-als-die- anderen gerne mit. So dürfen wir unter der Überschrift „Ethikstyle“ erfahren, wie Street Fashion funktioniert: „Wie viele Spielarten der Popmusik bedient sich auch die Streetfashion skrupellos aller verfügbaren Elemente, um sie auf kaltblütige Weise neu zu kombinieren.“ Möglicherweise ist das aber auch schon die Persiflage auf das Wissen von vor zwei Stunden.

Solche Hipness dritter Ordnung macht so lange Spaß, bis deren Protagonisten wirklich zu „Kreativen“ mutieren, und da hat die Realität evidence schon eingeholt: Vor kurzem hatte ein anderer Medienguerillero die Idee, aus eben diesen Punktechniken Kapital zu schlagen. erntezeit, das den Mikrokosmos Mitte bedient hat, wurde aus dem Werbeetat von „Ernte 23“ bezahlt. Nicht gerade Ethikstyle. Ulrich Gutmair

Abo: 30 Mark für 12 Ausgaben: „evidence“, Danziger Straße 90, 10405 Berlin

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