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Wunderheiler und Stalinisten

Bei den Wahlen in Rumänien am kommenden Sonntag bewerben sich 16 Kandidaten um den Präsidentensessel. Vor allem mit Schmutzkampagnen und nationalistischen Parolen  ■ Von William Totok

„Bis jetzt haben wir für den Teufel gestimmt, wählen wir diesmal den lieben Gott! Ion Iliescu kämpft jetzt mit allen Mitteln um sein Amt. Wie konntet ihr nur einen in Rußland geschulten Kommunisten wählen?“ So wirbt Constantin Mudava – einer der 16 Kandidaten bei den rumänischen Präsidentschaftswahlen – um die Wählergunst. Mudava ist ein bekannter Wunderheiler. Seine Anhänger sind nicht nur Kranke, sondern vor allem jene, die verschämt in Mülltonnen nach etwas Brauchbarem suchen. „Ich werde 16 Jahre euer Präsident bleiben“, verkündet Mudava. „Für einen Leu werdet ihr drei Dollar bekommen.“

Es mangelt nicht an großspurigen Versprechungen während dieser Wahlkampagne. Seit dem Sturz Ceausescus im Dezember 1989 sitzt Ion Iliescu auf dem Präsidentensessel. Seiner regierenden „Partei der Sozialen Demokratie“ (PDSR) scheint zusehends die Macht zu entgleiten. Obwohl auch sie schillernde Versprechungen macht, glauben nur noch wenige, daß die Partei Korruption, ausufernde Kriminalität und die schamlose Bereicherung einer neuen Oligarchie beseitigen will.

In seiner Danksagung für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der „Partei der Sozialen Demokratie“ schwelgte Iliescu in siegessicherer Selbstgefälligkeit. Das wirtschaftliche Dahindümpeln unter der PDSR hatte er geschickt in die Worthülsen eines Berufsfunktionärs gekleidet: Erneuerung, Umwandlung, Veränderung. Schließlich kündigte Iliescu an, „alle brennenden Fragen und Probleme zu lösen und die nötigen Korrekturen einzuleiten“: Die gegen Mitglieder seiner Partei erhobenen Korruptionsvorwürfe erwähnte er mit keinem Wort.

Dabei war die PDSR vor vier Jahren mit dem Slogan „Wir sind die Partei der Unbestechlichen“ angetreten. Jetzt verspricht Iliescu, energisch gegen die Kriminalität vorzugehen. Prompt fanden in einigen Bukarester Roma-Viertel Razzien statt. Die Roma sind die Sündenböcke, wenn es darum geht, Schuldige für die wachsende Kriminalität zu finden.

Die PDSR hatte nach der Wende die Wahlen zweimal gewonnen. Nach der Abspaltung des Reformflügels um Petre Roman 1992 stützte sie sich im Parlament auf Satelliten, die nach der Wende wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Nach der Verabschiedung eines neuen Parteiengesetzes sind die meisten Gruppierungen verschwunden oder haben sich als eigenständige Organisationen etabliert. Ihr kleinster gemeinsamer Nenner ist ein parteiübergreifender Nationalismus.

Nicht zufällig beschreibt der Vorsitzende der PDSR und des Senats Oliviu Gherman seine Partei als Hüterin „nationaler Werte“ und als „Garant für Ruhe und Ordnung“. „Im Vergleich zu allen anderen zeichnet sich unser Programm durch eine auffällige Sachlichkeit aus“, erklärte er.

Worin diese „Sachlichkeit“ besteht, zeigt ein Wahlspot der PDSR. Der Spot zeigt Emil Constantinescu, den Kandidaten des „Demokratischen Konvents“, der als Hauptrivale Iliescus gilt. In Zeitlupe verwandelt sich das Bild Constantinescus in das Porträt des im Schweizer Exil lebenden früheren rumänischen Königs. Die Regierungspartei ist ein Meister im Schüren primitiver Ängste. Sie behauptet, daß Constantinescu den König wieder auf den Thron hieven möchte. Mit dem König kämen dann wieder die Großgrundbesitzer und kapitalistischen Ausbeuter an die Macht. „Wenn der Konvent ans Ruder kommt“, schrieb die regierungsnahe Dimineaţa, „werden zwei Millionen Menschen arbeitslos. Sie müßten ihre Wohnungen verlassen, die an die Alteigentümer oder an ihre im Ausland lebenden Erben zurückgegeben würden.“

Wahlkampf wird zur Schlammschlacht

Der Wahlkampf degeneriert zusehends zu einer Schlammschlacht. Die aus dem KP-Zentralorgan hervorgegangene Tageszeitung Adevarul warf der „Sozialdemokratischen Union“ vor, sich in den Dienst ausländischer Kräfte gestellt zu haben. Im reinsten stalinistischen Propagandastil appellierte das Blatt an den Rumänischen Nachrichtendienst (SRI), gegen den sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten Petre Roman ein Verfahren wegen Landesverrates einzuleiten. Aber auch andere Wahlbündnisse sparen nicht mit absurden Unterstellungen, um den Gegner zu verunglimpfen. Gerade die ultranationalistischen Gruppierungen scheinen auf diesem Gebiet unschlagbar zu sein. So hat der Präsidentschaftskandidat der „Nationalen Einheitspartei der Rumänen“ (PUNR), Gheorghe Funar, der den früheren Securitateoffizier Pavel Coruţ zu seinem Wahlstrategen bestellt hat, eine Hetzkampagne gegen die ungarische Minderheit zum Programm gemacht.

Nachdem im September der rumänisch-ungarische Grundlagenvertrag unterschrieben wurde, bezeichnete er das Abkommen als einen Angriff auf die Integrität Rumäniens. Während seiner Wahlveranstaltungen präsentierte er einen Sarg, in dem das von Iliescu „verratene“ Rumänien symbolisch zu Grabe getragen wurde. Falls er Präsident würde, verspricht Funar, würden alle jene Organisationen verboten, die „gegen die Interessen des rumänischen Volkes“ verstoßen haben. Gemeint ist der „Demokratische Verband der Ungarn Rumäniens“.

Für ein Verbot dieser ethnischen Interessengemeinschaft der ungarischen Minderheit haben sich auch andere Präsidentschaftskandidaten und Parteien ausgesprochen. Allen voran die faschistoide „Groß-Rumänien-Partei“ (PRM), die vor der unmittelbaren Überfremdung des Landes und vor der Verwandlung Rumäniens in eine westliche Kolonie warnt. Als vorbeugende Maßnahme verspricht der großrumänische Kandidat Corneliu Vadim Tudor die Einführung eines Gesetzes, das den „Antirumänismus“ ahndet. „Wir werden des Extremismus bezichtigt, weil wir für unser Land kämpfen. Aber es gibt keinen gefährlicheren Extremismus als die Aushungerung des rumänischen Volkes und die Zerstörung der Volkswirtschaft“, erklärt Tudor.

Gute Chancen bei den Wahlen hat auch der starke „Demokratische Konvent“. Das aus mehr als einem Dutzend ideologisch unterschiedlichen Parteien und Bürgerrechtsgruppen zusammengesetzte Oppositionsbündnis hatte im November 1995 einen sogenannten 200-Tage-„Vertrag mit Rumänien“ veröffentlicht. Dabei handelt es sich um eine populistisch angehauchte Grundsatzerklärung, die den Bauern eine neue Landverteilung, Steuererleichterungen und günstige Kredite verspricht.

Bereits im Juni präsentierte der Präsidentschaftskandidat des „Demokratischen Konvents“, Emil Constantinescu, sein Wahlprogramm. Darin ist die Rede von einer Beschleunigung der Privatisierung und Dezentralisierung. Constantinescu verspricht auch, härter gegen Korruption vorzugehen. Falls die Versprechen nicht innerhalb von 200 Tagen eingelöst werden, verpflichtet sich Constantinescu zurückzutreten. Um das Monopol der Iliescu-Partei zu brechen, appelliert er an alle demokratischen Oppositionsbündnisse, den Machtwechsel herbeizuführen. Er macht der „Sozialdemokratischen Union“ und der „Nationalliberalen Allianz“ das Angebot, mit dem „Konvent“ eine Koalitionsregierung zu bilden. Die Chancen scheinen nicht schlecht. Laut aller Umfragen würden die drei Bündnisse mehr als die Hälfte aller Mandate bekommen.

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