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Bewachung am Bett

Krank im Knast: Statt postoperativer Betreuung nur „Krankengymnastik“ auf dem Flur  ■ Von Elke Spanner

Zwei künstliche Gelenke trägt sie in sich. Zwei künstliche Stützen tragen sie: Auf Krücken humpelt Rosemarie U. die schmalen Gänge entlang. Wenige Wochen nach ihrer Hüftoperation trainiert sie nicht auf Krankenhausfluren ihre Glieder. Rosemarie U. ist im Gefängnis. Ihre Gehversuche unternimmt sie zwischen den Zellen des Untersuchungsgefängnisses Holstenglacis. Im Anstaltsslang heißt das Krankengymnastik.

Die medizinische Versorgung der Insassen Hamburger Gefängnisse sei zumindest durch das Hinzuziehen externer ÄrztInnen gesichert, behauptete der Senat diesen Sommer in der Beantwortung einer Großen Anfrage. Dem stünden auch Sicherheitsvorkehrungen nicht entgegen.

Der Fall von Rosemarie U. straft diese Behauptungen Lügen. Im August wurde ihr die zweite künstliche Hüfte eingesetzt. Unter Bewachung wurde sie im Krankenhaus Barmbek operiert, war die ersten drei Wochen danach unter Bewachung, obwohl sie das Bett ohnehin nicht verlassen konnte.

Es war die zweite Hüftoperation während der Haft von Rosemarie U., und neben der körperlichen Behinderung wurde ihr genau diese zum Problem. Dem schweren Eingriff angemessen hatte sie nämlich für die erste Operation im Februar vergangenen Jahres Haftverschonung gewährt bekommen. Sie bekam Krankengymnastik, unternahm schlicht das, was der Amtsarzt ihr als angemessene medizinische Nachbehandlung verordnet hatte. Während dieser Rehabilitationszeit jedoch, so sagt die Strafvollstreckungskammer,habe sie Rosemarie U. einen Haftantrittsbescheid für Anfang Oktober zugestellt. Den, so versichert hingegen die Gefangene, habe sie nie bekommen. Also trat sie die Haft nicht an. Also wird sie in den Akten so geführt, als sei sie aus einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt mit der Konsequenz, daß ihr eine weitere Unterbrechung für eine erneute Operation und Nachbehandlung nicht gewährt wird.

„Rosemarie U. benötigt dringend Rehabilitationsmaßnahmen in einer geeigneten Klinik“, mahnt ihr Rechtsanwalt Udo F. Jacob an. „Es besteht die Gefahr, daß die Hüfte versteift.“ Im Untersu-chungsgefängnis werde seine Mandantin nur einmal die Woche massiert, Krankengymnastik bekomme sie gar nicht. „Wird die Hüfte steif, hat die Hamburger Justiz mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen“, kündigt er an.

Die Anstaltsleitung hingegen hält ihr Therapieangebot für ausreichend. Sie behauptete gegenüber dem Hanseatischen Oberlandesgericht, vor dem Jacob für seine Mandantin die Haftverschonung vergeblich durchzusetzen versuchte, daß das Vollzugskrankenhaus in der Lage sei, die notwendigen Rehabilitationsmaß-nahmen selbst zu erbringen oder durch „Ausführung der Verurteilten“ zu Behandlungseinrichtungenzu gewährleisten. Daß im Falle von Rosemarie U. weder das eine noch das andere geschieht, sucht man dadurch zu legitimieren, daß sich ihre gesundheitliche Situation inzwischen stabilisiert habe.

Mit ihrer angeblich guten Genesung wird auch begründet, warum ihre Lebensgefährtin Bettina W. sie nur äußerst selten besuchen darf. Nach der Operation durfte Bettina W. ihre Freundin zunächst jede Woche sehen, nun nur noch alle zwei Wochen. Anders wäre es nur, wenn die beiden verheiratet wären – für homosexuelle Paare ist auch das ein Hindernis.

Rosemarie U. soll, nach Aussagen ihrer Lebensgefährtin, im Holstenglacis angeblich statt Schmerztabletten Psychopharmaka bekommen. Nun hat sie ihre Verlegung nach Altengamme beantragt, wo es zwölf sozialtherapeutische Plätze für Frauen gibt. Für Rosemarie U. bislang nicht.

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