■ Standbild: In der Gefühlsfalle
„Zwei Leben hat die Liebe“, Mi., 20.15 Uhr, RTL
Die Inhaltsangabe in der Programmzeitschrift kam einem irgendwie bekannt vor: Junger Aufsteiger zieht mit Frau und Kindern aufs Land. Aber dann bricht das Grauen in die ländliche Idylle ein — eine andere Frau taucht auf. Der Mann verliert erst sein Herz, dann seinen Verstand. Heile Welt geht in die Binsen. Die Nebenbuhlerin stirbt am Schluß.
Das ist die Geschichte von Adrian Lynes „Eine verhängnisvolle Affäre“ von 1986 – und auch die Geschichte von „Zwei Leben hat die Liebe“, dem „Großen TV-Roman“ von RTL. Trotzdem ist alles ganz anders. Denn Regisseur und Autor Peter Timm verzichtet auf die hollywoodtypische Schwarzweißmalerei. Bei Lyne war von Anfang an klar, daß der Gute (Michael Douglas) einen Fehler gemacht hat und die Böse (Glenn Close) eine Bedrohung ist, die beseitigt werden muß.
Bei Timm gibt es diese starre Charakterisierung nicht. Der Mann (Klaus J. Behrendt) hat einen Autounfall, er bleibt unverletzt, aber die Fahrerin des anderen Wagens (Christiane Paul) liegt im Koma. Er ist voller Schuldgefühle, vernachläßigt seine Familie und seine Firma, um Tag und Nacht an ihrem Krankenbett wachen zu können. Und als sie aufwacht und ihm erzählt, daß er unschuldig ist, weil sie sich aus Liebeskummer umbringen wollte, ist die Geschichte nicht etwa zu Ende, sondern beginnt erst.
Er verliebt sich in die junge Frau, die jetzt an den Rollstuhl gefesselt ist, ob wirklich nur aus Mitleid, wie sie ihm einmal vorwirft, bleibt unklar. Er sitzt in der Falle seiner Gefühle, verläßt Heim und Familie, die Firma löst sich auf. Er, der sein Leben nie hinterfragt hat, ist völlig überfordert vom Temperament der Frau, die nach dem Motto „Lebe schnell und intensiv und stirb jung“ lebt; ihre Wohnung hat sie mit Postern von toten Stars (von Janis Joplin bis Kurt Cobain) dekoriert, die es ebenso machten. Zum Schluß ist es denn auch sie, die die Initiative übernimmt. Als sie erfährt, daß sie schwanger ist, das Kind aber nicht austragen kann, unternimmt sie einen zweiten Versuch. Diesmal klappt es. Zurück bleibt er — hilfloser denn je.
Eine kleine Geschichte über große Gefühle, gut gespielt, ohne klebrige Rührseligkeiten und ohne lautes melodramatisches Getöse – und damit eine positive Ausnahme im deutschen TV- Schaffen. Karl Wegmann
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