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Fidel Castro besuchte gestern Johannes Paul II. Und lud ihn nach Kuba ein. 1997 will der Papst auf die Insel – für die Gläubigen Kubas eine Sensation. Denn die katholische Kirche war dem Regime lange ein Dorn im Auge. Von Bert Hoffmann

Kubas Erlöser holt sich den Segen

Es war ein gefundenes Fressen für die Medien: Fidel Castro auf Audienz beim Papst, das ist Don Camillo und Peppone als Reality TV. Das Gipfeltreffen der alten Männer mit dem festen Glauben, die sich Versöhnung geloben. Doch was für den Rest der Welt die Züge einer Folkloreshow mit human touch trägt, ist in Kuba ein politisches Großereignis. Denn seit Castros Revolution vor bald 38 Jahren die Kirche enteignete, Hunderte von Priestern ins Exil schickte und das Land alsbald für atheistisch erklärte, war das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und revolutionärem Staat „belastet“. Und nun macht nicht nur Castro dem Papst seine Aufwartung, sondern 1997 wird der polnische Papst, der so stolz auf seinen Beitrag zur Erlösung Osteuropas vom Joch des Kommunismus ist, hochoffiziell auf der sozialistischen Karibikinsel empfangen.

Für Castro ist die Aussöhnung mit dem Papst Teil seiner internationalen Charme-Offensive, mit der er sehr erfolgreich die von den USA betriebene internationale Isolierung Kubas bekämpft, sei es nun beim Dinner mit der dänischen Königin oder beim Fototermin mit Claudia Schiffer, als Werbeträger für Luciano Benetton oder Seite an Seite mit Diego Maradona. Alle, alle, alle gegen die Blockade der USA, da helfen auch die Bataillone des Vatikans. In der US-Presse ist bereits von einem „schweren Schlag für unsere Kuba-Politik“ die Rede.

Dennoch wird Fidel Castro dieser Gang in den Vatikan nicht leichtgefallen sein. Zwar gibt es seit Mitte der 80er Jahre Ansätze einer Normalisierung der Beziehungen zur katholischen Kirche, doch standen diese unter anderem Vorzeichen: Als Castro 1985 ein langes Interview mit dem brasilianischen Befreiungstheologen Frei Betto unter dem Titel „Fidel und die Religion“ in Hunderttausender-Auflage und in zahllosen Übersetzungen veröffentlichen ließ, da war diese erste Aussöhnung mit der Religion lediglich für den Export bestimmt. Es sollte noch sechs Jahre dauern, bis sich Kubas Machthaber dazu entschlossen, daß auch in Kuba Religionsangehörige Mitglieder in der Kommunistischen Partei werden dürfen – was in einem Einparteienstaat auch für die, die nie im Leben KP-Mitglied werden wollen, unverzichtbar war als Signal, daß zumindest die formelle Diskriminierung letztinstanzlich aufgehoben ist.

Der Kleinkrieg freilich geht weiter. Denn Kubas katholische Kirche hat in den letzten Jahren enorm an politischer Bedeutung gewonnen, da sie de facto die einzig tolerierte halboppositionelle Institution ist, die über ein Minimum an Infrastruktur verfügt. Die Hirtenbriefe der kubanischen Bischöfe erreichen eine Öffentlichkeit, von der die Dissidentengruppen nur träumen können. Wo für alle anderen nichtstaatlichen Einrichtungen größere Versammlungen per Gesetz eingeschränkt sind, bieten Gottesdienste und Gemeindeversammlungen ein seltenes Forum von unabhängiger Öffentlichkeit. Die Kirche kann „für den internen Gebrauch“ Publikationen mit Namen wie „Christliches Leben“ herausgeben, dünn und auf allereinfachstem Niveau, aber immerhin. Der Erzbischof von Havanna, Jaime Ortega, kann Pressekonferenzen vor internationalen Journalisten geben, ohne dafür Repressalien befürchten zu müssen. Unter der Führung von Erzbischof Ortega hat Kubas Kirche dabei durchaus geschicktes Taktieren gelernt. Denn was die Kirchenführer in ihren Freiräumen sagen, scheint oft wenig spektakulär. Leitmotive sind Worte wie „Versöhnung“, „Brüderlichkeit“ und „die kubanische Familie“, nicht etwa „Menschenrechte“ oder „Diktatur“.

Doch in Kuba ist man geübt, zwischen den Zeilen zu lesen. Und gerade der Umstand, daß der Staat sonst allein seine Stimme zuläßt, wirkt als Verstärker für die vorsichtig abweichenden Botschaften der Kirche, wenn sie etwa bei dem Abschuß zweier exilkubanischer Sportflugzeuge im Februar durch die kubanische Luftwaffe vor allem den Tod der Piloten beklagt, anstatt die gelungene Landesverteidigung zu feiern.

Gleichzeitig hat sich Jaime Ortega für die Regierung aber auch als ein verläßlicher Gesprächspartner erwiesen, der sich an die Spielregeln hält und auch in Miami Versöhnung predigt sowie ein Ende des US-Embargos fordert. Und der für Castro auch seine guten Drähte zum Vatikan spielen läßt, wenn dieser den Papst besuchen will. Der Vatikan seinerseits hat Erzbischof Ortega seine guten Dienste gedankt und ihn erst vor kurzem zum Kardinal befördert.

Dennoch ist die für 1997 geplante Papstreise nach Kuba eine mittlere Sensation. Denn dieser Karol Wojtila ist nicht irgendein Papst, sondern ein erprobter und erfolgreicher Veteran des Kalten Krieges, der „Papst des Zusammenbruchs des Sozialismus“ in Ost-Europa. Und gerade, wo das Politbüro seit einigen Monaten eine „ideologische Offensive“ gegen die Aushöhlung des Sozialismus lanciert hat, ist es verblüffend, daß diese Kampagne zwar kritische Intellektuelle in aller Schärfe als „Trojanisches Pferd“ angreift, gleichzeitig aber just Karol Wojtila die Arme weit öffnet.

Doch beide, Castro wie der Papst, haben durchaus gemeinsame Interessen an einem begrenzten Schulterschluß. Denn Kuba erlebt seit einigen Jahren einen geradezu atemberaubenden Boom evangelikaler Kirchen aller Art – ein Problem für die katholische Kirche genauso wie für die KP. Denn wo diese neuen protestantischen Gemeinden in aller Regel direkte Ableger von US-amerikanischen Kirchen mit schwer verdaulichem ideologischen Gedankengut sind, erscheint nun offensichtlich auch dem zum Atheismus konvertierten Jesuitenschüler Castro die gute alte katholische Kirche Kubas als das kleinere Übel.

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