: „Ohne Vulkan stirbt die Sozialdemokratie“ Bremens
■ Persönliche Notizen des Ex-Vulkan Chefs belegen: Hennemann übte Druck auf Senat aus
Der ehemalige Vulkan-Chef Friedrich Hennemann hat im Juni 1995 versucht, die Landesregierung unter Druck zu setzen, um für den Vulkan-Verbund 200 Millionen Mark lockerzumachen. Das belegen persönliche Notizen Hennemanns, die der taz vorliegen. Mit dem Faustpfand von 10.000 Arbeitsplätzen in der Hand habe das Vulkan-Management die Landesregierung „politisch erpreßt“, sagte auch der ehemalige Staatsrat Andreas Fuchs Anfang November vor dem Untersuchungsausschuß. Hennemann dementierte. „Sie wissen doch, daß ich der zweite Bürgermeister Bremens war. Sie sind hoffentlich nicht so dumm, einen solchen Quatsch zu glauben. Ich habe nie jemanden unter Druck gesetzt“, betonte er gestern nochmal.
Sein persönlicher Vermerk liest sich allerdings anders: „Der Bremer Vulkan ist das wirksamste Instrument sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik im Lande Bremen“, notierte sich Hennemann zur Vorbereitung auf einen „Termin im Rathaus, 23.6., 14.30 Uhr“. Dort traf er auf den Bürgermeister in spe, Dr. Henning Scherf (SPD). Nachdem Klaus Wedemeier nach der Wahlschlappe für die SPD im Mai zurückgetreten war, wollte Hennemann nun von Scherf 200 Millionen Mark für den Vulkan-Verbund lockermachen. Um sich auf das Gespräch vorzubereiten, notierte er sechs Argumente: „Vulkan sichert mindestens 10.000 Arbeitsplätze in Bremen, das bringt jährlich DM 200 Mio. Einnahmen für das Land“. Mit dem Vulkan würde auch die sozialdemokratische Herrschaft untergehen, schrieb Hennemann weiter. „Unser Vertrauen und unsere Stimmen haben die SPD zur stärksten Partei gemacht. Du verdankst es dem konzertierten Einsatz der Betriebsräte für den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten, wenn Du jetzt von der CDU das Amt des Senatspräsidenten fordern kannst. Wir sind der harte, geschlossene Kern der 30 Prozent SPD-Stammwähler. Eile sei geboten, formulierte Hennemann: „V (Vorstandsvorsitzender Hennemann, d.Red.) und KBRV (Konzern-Betriebsratsvorsitzender Schönberger) haben für Bremerhaven gekämpft und dafür gesorgt, daß uns insgesamt DM 600 Mio. zur Verfügung stehen bzw. aufgewendet werden. DM 200 Mio Zusage ist die Vertrauensfrage für die Betriebsräte und Metaller, nicht nur für Klaus Wedemeier als Person, sondern für die Sozialdemokratische Partei schlechthin. Du kannst nur noch in diesem Jahr handeln. Und d.h. Du mußt sofort handeln, weil Du mit einer EG-Prüfung rechnen mußt. Und ab 01.01.96 ist Schluß wegen OECD.“
„Völliger Quatsch“ sei es, daß er die Landesregierung jemals unter Druck gesetzt habe, schüttelt Hennemann energisch den Kopf. Als ihm sein Vermerk vorgelegt wird, schweigt der Ex Vulkan-Chef plötzlich. „Also“, sagt er, nachdem er die Notiz gelesen hat. „Das ist doch keine politische Erpressung. Das würde ich heute noch unterschreiben. Mit Druck ausüben hat das nichts zu tun. Das müssen Sie im Zusammenhang sehen. Ich habe immer gesagt, wenn ihr wollt, daß wir vor 1997 an der Unterweser investieren, dann müßt ihr das auch bezahlen. Was ist denn daran schlimm?“ Kerstin Schneider
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