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■ Hans-Josef Elz: Eine Alternative für die Alternativen„Ich bin ein Lafontaine-Typ“

Die politische Landschaft ist nicht mehr dieselbe. Auf dem gestern begonnenen Parteitag der Bündnisgrünen in Suhl redeten alle nur mit und über Hans-Josef Elz, der dort für das Amt des Bundesvorstandssprechers kandidiert (die Wahrheit berichtete ausführlichst). Der charismatische Ex- Sozi, der einst gegen Björn Engholm um den SPD-Vorsitz kandidierte, weist jedoch Vorwürfe von sich, er wolle die Machtverhältnisse bei den Grünen zum Tanzen bringen. „Ich sehe mich nicht als Gegenspieler von Joschka Fischer. Wir sind ja ungefähr gleich alt“, sagt der 56jährige. „Ich sehe meine Aufgabe vielmehr darin, die verschiedenen Flügel zusammenzuführen. Wir müssen nach außen geschlossen auftreten.“

Das sollte ihm angesichts einer langjährigen Erfahrung leichtfallen. Elz war schon 1991 keineswegs der „Nobody“, zu dem ihn die Mainzer Rhein-Zeitung im Zuge seiner Kandidatur für den SPD- Vorsitz hatte machen wollen. Die politische Karriere des Frührentners begann bei den Jusos an der Seite von Oskar Lafontaine. „Man hat mich aufgrund der äußerlichen Ähnlichkeit oft für Oskars Bruder gehalten“, erinnert sich Elz . „Brüder waren wir aber eher insofern, als wir viele Gedankengänge gleichzeitig hatten. Ich würde auch heute niemals gegen ihn antreten. Schließlich bin ich selbst ein Lafontaine-Typ.“ Obwohl der Rheinländer die SPD vor fünfeinhalb Jahren verlassen hatte und er die Partei heute in aller Schärfe als „Auslaufmodell“ kritisiert, der Kontakt zum Saarländer ist immer noch „gut“ (Elz). „Wir haben uns nicht total entfremdet“, präzisiert er.

Seit 1990 konzentriert sich Elz ausschließlich auf seine politische Arbeit. Seinerzeit konstatierte ein Arzt bei ihm schwerwiegende Bandscheibenprobleme und untersagte ihm das Autofahren, weshalb er seinen Beruf – Außendienstleiter bei Polaroid – nicht mehr ausüben konnte. Unabhängige Experten haben die Diagnose des mutmaßlich der FDP nahestehenden Mediziners aber mittlerweile in Zweifel gezogen. So konnte Elz in seinem Bewerbungsschreiben an den Bundesvorstand auch ruhigen Gewissens darauf hinweisen, daß er „geistig und körperlich voll belastbar“ sei.

Das Frührentner-Dasein des neuen Politstars hat für die Partei natürlich einen entscheidenden Vorteil: „Ich bin immer verfügbar.“ Außerdem ist er „der Meinung, daß der Bundesvorstandssprecher unserer Partei seine Tätigkeit ehrenamtlich ausüben soll“. Lediglich seine Unkosten möchte Elz abrechnen. Dieser Vorstoß eröffnet völlig neue Perspektiven: Alle Parteien könnten viel Geld sparen, wenn sie ausschließlich Menschen einstellten, die finanziell abgesichert sind (Rentner, Arbeitslose u.a.).

Mit seiner Erfahrung und seinen Visionen will Elz, der sich im politischen Spektrum „halblinks“ einordnet, vor allem potentielle Jungwähler beeindrucken. „Wir müssen in die Schulen gehen und Interesse für Politik wecken. Das sind ja beinahe schon amerikanische Verhältnisse hier!“ Der Mainzer möchte mit seiner Arbeit die Basis dafür schaffen, daß die Bündnisgrünen „in 15 bis 20 Jahren“, wie Elz in seiner angenehm vorsichtigen Art prognostiziert, die Rolle der SPD übernehmen. Bundesvorstandssprecher ist er dann bestimmt noch – es sei denn, es kommen ihm irgendwelche Ärzte in die Quere. René Martens

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