: Das Küchenmesser als Datenwunder
Das HamburgINFO, natürlich auf CD-ROM, weiß alles, was Sie schon immer fragen wollten ■ Von Ulrike Winkelmann
Und die Volkszählung hat sich doch gelohnt: Wo und wie dicht Hamburgs 1.713.399 EinwohnerInnen wohnen (15.282 von ihnen sind unter 1 Jahr alt! Hätten Sie's gewußt?), ob sie in Deutschland geboren wurden und ob sie eine Bushaltestelle vor der Tür haben – das alles läßt sich jetzt, wie neuerdings immer in Sekundenschnelle und per Mausklick, erfragen. „Hamburg-INFO“ heißt das System auf CD-Rom, das der StadtINFO-Verlag nach Berlin und Düsseldorf nun auch in Hamburg durch das Unternehmensberatungsbüro „Plümer, Partner“ anbietet.
Mit 66.000 Mark sind Privatunternehmen dabei, Light-Versionen und maßgeschneiderte Datensätze für Hamburgs ausgemergelte Ämter sind selbstredend billiger. „Wir haben die Grundstücksdaten kritiklos von der Baubehörde übernommen“, räumte Hans Biermann von StadtINFO gestern bei der Vorstellung des neuen Datenwunders im Steigenberger Hotel ein – denn dessen Adresse, Heiligengeistbrücke 4, war leider im neuen digitalisierten Hamburgplan nicht zu finden.
Doch hinter der Windows-Oberfläche und der rasend kreiselnden Bitte-Warten-Uhr verbirgt sich ein Füllhorn an Informationen, nutzbar für jedermann und jedefrau: Sie sind ein Mineralölkonzern und wollen wissen, ob es sich lohnt, hinterm Rathaus eine Tankstelle zu bauen? Nein, denn dort gibt es kaum PKW-Zulassungen! Sie sind ein Schneeräumdienst und wollen den MieterInnen der Admiralitätsstraße 74 ihre Dienste anbieten? Lohnt nicht, die Straßenfront mißt nur 14 Meter! Sie sind Grundstücksmakler in Tokyo und wollen Altenwerder kaufen? Nur Mut!
Aus unser aller Hauptstadt, in der bereits 60 Unternehmen und Institutionen mit dem BerlinINFO arbeiten, werden fantastische Erfolge gemeldet: So soll dort ein Jugendzentrum nicht gebaut worden sein, weil herausgefunden wurde, daß nicht genug Jugendliche im Umkreis wohnten. Und die Kreuzberger Feuerwehr wisse nun immer exakt, wie lang ihre Schläuche sein müssen, um zum verborgenen PCB-Depot im Hinterhof vorzudringen.
Das kleine Geschwisterchen des HamburgINFO ist das vom Axel-Springer-Verlag im Internet eingerichtete „Go On“, ein Stadt-Informationsservice, der selbst das Schwimmbad um die Ecke anzeigt. „Aber die haben nur ein Fünf-undzwanzigstel unserer Daten“, verspricht Unternehmensberater Helmuth Plümer. Das HamburgINFO sei „einmalig“, meint Plümer: In der Baubehörde, mit der er kooperiere – „es war grauenhaft, wie die Menschen dort arbeiten“ –, und im Statistischen Landesamt habe man bei der Vorstellung eines solchen visualisierten Systems „glänzende Augen bekommen“.
Um an die Datensätze zu gelangen, mußte StadtINFO mit den Hamburger Behörden, der Handelskammer und dem Statistischen Landesamt Verträge für über 70.000 Mark schließen, und „wir haben keine Informationen bekommen, die nicht auch öffentlich zugänglich wären“, beteuert Biermann. Somit seien datenschutzrechtliche Bedenken quasi ausgeräumt, so es denn keine grundsätzlichen Voreingenommenheiten gegenüber behördlicher Datenverwaltung gebe. „Das ist wie mit dem Küchenmesser“, sagt Biermann: „Damit können Sie eine Scheibe Brot schmieren oder einen Menschen erstechen.“
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