: Eine Art von Liebe - Annette Berr mit Chansons im BKA-Zelt
Vorschlag
Eine Art von Liebe – Annette Berr mit Chansons im BKA-Zelt
„Ich brauche Stilbrüche“, sagt Annette Berr, die bisher bereits Schriftstellerin, Performerin und Rocksängerin war und seit letzter Woche auch Chansonsängerin ist. Begleitet am Piano und gelegentlich an der Gitarre, singt die Berlinerin ihre Lieder, die sich fast immer um Liebe drehen. Wer Annette Berr auf der Bühne sieht, weiß, daß sie vom Leben spricht. Wenn sie breitbeinig in ihrem eleganten Kleid steht und mit ihrer brüchigen Nichtstimme zwischen Harmonischem und Sprechgesang wechselt, will sie gleichzeitig gefallen und nicht gefallen.
„Mir fehlt die Kindheit“, sagt sie. Diese Lücke hat sie mit Schreiben gefüllt. Ihr erstes Buch, „Nachts sind alle Katzen breit“, kam 1986 heraus, als sie gerade 23 war. Die deutsche Beat-Poetin hat ihre Texte nicht nur geschrieben, sondern auch als Happenings unter die Leute gebracht. Röchelnd, liegend, mal im Dunkeln, mal im Licht, hat sie ihre literarisch verarbeiteten Verletzungen herausgeschrien. Sängerin ist sie dabei eher zufällig geworden, wenn sie gelegentlich a cappella die Vertonungen ihrer Texte von Jan Pieper gesungen hat. Heute beurteilt sie die engen Grenzen, die ihr beim Ausdruck von Gefühl und Ekstase als Rocksängerin gesetzt wurden, eher kritisch. Die Musik sollte powern, ihr Gesang weniger. Im neuen Soloprogramm ist das genau anders: „Ich verletze niemanden mehr, wenn meine Gefühle groß rauskommen.“ Diese neue Freiheit verunsichert sie noch. Sie wirkt gelegentlich verhalten, fällt in die Sprachlosigkeit ab. Ihr neuer Partner, Rainer Kirchmann, der mit Pankow, Karat und Veronika Fischer gearbeitet hat und heute Rock-Arrangements für Mikis Theodorakis schreibt, hat die Situation auf der Bühne jedoch gut im Griff und führt Annette Berr zum nächsten poetischen Ausbruch, denn Literatur bringt man „mit dem Messer“ unter die Leute. „Wenn du Musik machst, wird die Welt plötzlich ganz klein. Ich nehme die Geschichten, die ein Jahr oder fünf Monate oder mein ganzes bisheriges Leben gedauert haben, und packe sie in drei Minuten.“ Außerdem sagt Anette Berr: „Ich weiß nie, wo ich hingehöre“, aber wer weiß das schon? Waltraud Schwab
Am 7., 8., 11., 14. und 15.12. um 20 Uhr im BKA-Zelt, Tiergarten
Annette Berr mit Begleiter Rainer Kirchmann Foto: Rudi Berr
Nachschlag
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