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Beweisanträge, auf Klopapier geschrieben

Studie des Hamburgischen Landgerichts: Anwälte haben ein „ekzessives Verteidigerverhalten“. Sollte deshalb das Antragsrecht beschnitten werden?  ■ Von Elke Spanner

„Trotz Ihres Rechtsanwaltes haben wir Sie freigesprochen.“ Eine Juristenanekdote, die an Richterstammtischen gerne zum besten gegeben wird – auch und gerade in Hamburg. Denn hier stehen RechtsanwältInnen in dem Ruf, zwar fachlich gut, aber überhaupt nicht umgänglich zu sein. Strafprozesse dauerten viel zu lang, monieren die Gerichte immer wieder. Und die Ursache haben sie dafür oft auch ausgemacht: die unliebsamen VerteidigerInnen. Einige von ihnen sollen bewußt das Verfahren verzögern, indem sie immer neue Beweisanträge stellen. Neuer Zündstoff: eine interne Studie des Hamburgischen Landgerichtes. Auch hier wird auf das „ekzessive Verteidigerverhalten“ als „besonders problematischer Fragenkreis“ hingewiesen – um die mahnende Frage anzudeuten: Sollten ihre Rechte beschränkt werden?

Anwälte können jederzeit beantragen, ZeugInnen zu laden, GutachterInnen zu beauftragen oder Sachverständige zu hören. In diesem Zusammenhang erinnert sich Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger „an Beweisanträge, die auf Klopapier geschrieben waren“. Und Landgerichtspräsidentin Konstanze Görres-Ohde weiß von dem Gerücht, daß auswärtige RichterInnen gleich mehrere Prozeßtermine anberaumten, wenn Hamburger Rechtsanwälte angekündigt seien.

Die Gerichte können Anträge der Verteidigung allerdings auch ablehnen. In rund fünfzig Prozent aller Fälle geschieht dies auch. „Deshalb brauchen wir keine Gesetzesänderung“, weiß die Geschäftsführerin des Hamburgischen Anwaltvereins, von Harten. Eine Novellierung der Gesetze wird hingegen immer wieder von

Teilen der Richterschaft gefor- dert. Auch ein „runder Tisch“, einberufen vom Hamburgi- schen Anwaltverein, küm- mert sich um das Problem. Seit etwa fünf Jahren disku- tieren hier VertreterInnen der Gerichte, Gerichts- präsidenten und Anwäl- te über unterschiedli- che Varianten; etwa, daß Anträge nur in bestimmten Prozeß- abschnitten oder nur einmal ge- stellt werden dürfen.

Doch AnwältInnen machen im Verfahren keine eigenen, sondern die Rechte der Angeklagten geltend. Und für die steht viel auf dem Spiel, etwa eine Geld- oder Haftstrafe. Das Recht, nach ZeugInnen, Sachverständigen oder Indizien zu recherchieren, ist deshalb ein „elementarer Bestandteil der Rechtsstaatlichkeit“, erklärt Ottmar Kury, Vorsitzender der Hamburger Strafverteidigervereinigung – auch, wenn zum Beispiel der benannte Zeuge im Ausland lebt und damit unerreichbar ist.

Nicht nur in Hamburg, auch auf Bundesebene will man an die Strafprozeßordnung herangehen. Bundesinnenminister Manfred Kanther soll gar einen Gesetzentwurf in der Schublade bereithalten, um ihn bei geeigneter Gelegenheit hervorzuziehen. Doch wann ist diese Gelegenheit gekommen? Hier verweisen der Bund und die Stadt Hamburg auf unterschiedliche Fälle. Das Bundesjustizministerium etwa sah sich zur Prüfung der „Verhinderung von Prozeßmißbrauch“ veranlaßt, als der vier Jahre andauernde

PKK-Prozeß in Düsseldorf seinen Abschluß fand. Auch Bundeskanzler Kohl mahnte seinerzeit, ein solcher Strafprozeß dür- fe sich nicht wiederholen, und meinte damit nicht die Massenanklage nach dem „Terroristenparagraphen 129a“, sondern das Beweis-

antragsrecht.

In Hamburg hingegen nehmen JuristInnen vor allem an Betäu-

bungsmittelverfahren Anstoß, die in den letzten Jahren in ihrer Anzahl und Dauer erheblich zugenommen haben. In rund der Hälfte aller Großverfahren – das sind Prozesse mit über 10 Verhandlungstagen“ – geht es um Drogen. Dabei stellten Anwälte rund 13 Anträge in 22 Tagen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer lag für die Geschäftsjahre 1992 und 1994 teilweise um 100 Prozent höher als bei Gerichten anderer Länder.

Während die Hamburger Staatsanwaltschaft keine Stellungnahme zur aktuellen Debatte abgeben wollte – „das ist eine rechtspolitische Frage“ – verwehrt sich Jürgen Keyl, Vorsitzender des Hamburgischen Anwaltvereins, „ganz entschieden“ dagegen, dieser Tendenz mit der Beschneidung von Anwaltsrechten gegenzusteuern. Denn gegen einzelne „schwarze Schafe“ könne man schon jetzt eingreifen. Zum Beispiel, indem man „standesrechtlich gegen die Verteidiger vorgeht, die die Rechte aller mit ihrem Verhalten gefährden“.

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