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Entsorgung eines Antifaschisten

■ Der Fall Cäsar Horn: Ohne Wissen der Angehörigen wurde im September das Pankower Ehrengrab des 1945 hingerichteten Widerstandskämpfers aufgelöst. Seine Witwe protestiert seitdem vergebens

Am 23. Januar 1945 wird Cäsar Horn vom Berliner Volksgerichtshof wegen Hochverrats und Feindbegünstigung zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung erfolgt zwei Monate später, am 19. März 1945, im Zuchthaus Brandenburg.

Städtischer Friedhof VII, Berlin-Wilhelmsruh, Mitte September: Ein kleiner grüner Zettel klebt am Ehrengrab des Antifaschisten Cäsar Horn. Darauf steht geschrieben: „Bitte bei der Friedhofsverwaltung melden.“ Irmgard Klauß, die Witwe des Antifaschisten, ahnt nichts Böses.

Einen Tag später, am 18. September, erfährt sie von der Pankower Friedhofsverwaltung: Das Grab werde aufgelöst und die Urne umgebettet in ein „Gräberfeld für Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft“. Grundlage der Maßnahme sei das bundesdeutsche Gräbergesetz. Die verstreut liegenden Einzelgräber sollen – nach 50 Jahren – in einer Anlage zusammengefaßt werden, „um besser auf das schlimme Geschehen aufmerksam machen zu können“. Die Vorbereitungen für das Gräberfeld sind bereits getroffen. Wenig später ist die Anlage geschaffen, zirka 20 mal 10 Meter groß. Dicht nebeneinander wurden 67 kleine Grabstellen plaziert.

Noch am 18. September legt Irmgard Klauß Widerspruch gegen die willkürliche Auflösung der Grabstelle ein. „Wie kann die Friedhofsverwaltung in Abstimmung mit dem Senat und ohne meine Zustimmung das Grab öffnen und die Urne entfernen?“ Am 19. September wird ihr von Fred Löwenberg, dem Vorsitzenden des Interessenverbandes ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregims und Hinterbliebener (BV VdN), mitgeteilt, die Urne sei bereits entnommen. Auf Nachfrage bei der zuständigen Friedhofsverwaltung erhält Irmgard Klauß die lapidare Auskunft, der gegenwärtige Aufenthaltsort der Urne könne ihr nicht genannt werden. Bis heute ist ungeklärt, wo die Urne Cäsar Horns verblieben ist.

Irmgard Klauß protestiert. Ein Brief geht an den Regierenden Bürgermeister Diepgen mit der Bitte um Klärung des Sachverhalts. Dieser zeigt „Verständnis für die Problematik“, verweist aber auf das Bundesgesetz und den Sinn einer geschlossenen Gräberanlage. Abschließend gibt Diepgen seiner Hoffnung Ausdruck: „Vielleicht wird es Ihnen im Laufe der Zeit gelingen, sich doch noch mit dieser Veränderung anzufreunden.“ Für Irmgard Klauß ein Schlag ins Gesicht. Sie verweist auf den Paragraphen 16 des Gräbergesetzes: „Dieses Gesetz ist nicht auf Gräber... anwendbar, wenn die Angehörigen einer vom Land beabsichtigten Übernahme eines privatgepflegten Grabes nicht zustimmen...“ Diesen Paragraphen macht Irmgrad Klauß geltend, da sie in all den Jahren das Grab gepflegt hat, trotz der von der DDR vorgenommenen Ernennung zum Ehrengrab und der damit offiziell verbundenen Pflege.

Auf abenteuerliche Weise hatte Irmgard Klauß 1946 die Urne vom städtischen Friedhof Brandenburg nach Berlin gebracht. „Das letzte Stück habe ich die Urne in der U-Bahn transportieren müssen.“ Mitleid erwarte sie nicht, nur einen würdigen Umgang mit dem Grab ihres Mannes. Für Irmgard Klauß bleiben Fragen. Wo ist die Urne ihres Mannes? Wer wird in dem Gräberfeld neben Cäsar Horn, dem Antifaschisten aus der Widerstandsgruppe um Anton Saefkow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein, liegen. „Auch solche Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft, die noch in den letzten Stunden für Hitler gefallen sind?“ Für Irmgard Klauß eine „unglaubliche Vorstellung“.

Inzwischen hat sich auch Arnold Munter, Ehrenvorsitzender des Pankower Bezirksverbandes des BV VdN eingeschaltet. Sein Vorschlag: Die Urne Cäsar Horns im Ehrenhain der antifaschistischen Widerstandskämpfer auf dem größten Pankower Friedhof, Hermann-Hesse-Straße, beizusetzen. Weder von der zuständigen Senatsumweltverwaltung noch von der Friedhofsverwaltung Pankow wurde bisher darauf reagiert. Jens Rübsam

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