■ Querpalte: Bericht an eine Akademie
Im studentisch frequentierten Café geht es munter zu. Am Nebentisch sitzen drei junge Frauen gemeinschaftlich die Hintern platt und erörtern sich selbst: „Wurde ich als Kind eigentlich mißbraucht, und wenn nein, warum nicht?“ Währenddessen stehen die kellnernden Teile der Studentenschaft mürrisch und maulfaul am Tresen und lassen sehr betont durchblicken, daß sie alles sind, nur keine Kellner. An der Tür peckt wie eine TÜV-Plakette der kühne Spruch: „Wir bieten Schutz vor rassistischen Übergriffen“, aufgeklebt im Bewußtsein, daß hier mit so etwas günstigerweise nicht gerechnet werden muß. Richtig dufte ist eine Gesinnung eben erst, wenn sie nichts kostet, vielleicht aber noch Milchkaffeekundschaft zieht.
Oder ist das alles ganz anders, und der „Wir bieten Schutz...“-Aufkleber macht jedem auf Übles sinnenden Fiesling und Dunkelmann im Umkreis mehrerer Quadratkilometer klar, daß es für ihn hier nichts zu holen gibt als kräftig Lack und einen Satz heiße Ohren? Daß die Rothaarige hinterm Tresen eine Abgesägte zu liegen hat, die den Indianerschrot so breit streut wie Lutz Rathenow seine Manuskripte?
Bis zur letztgültigen Klärung dieser Fragen schlage ich vor, daß der kellnernde Teil unserer Studentenschaft folgendes Bekenntnis am Revers zu tragen hat: „Wir bieten Schutz vor unserem eigenen Service.“ Denn wenn die Hilfskräfte mit dem versprochenen Schutz so flink bei der Hand sind wie mit der Bedienung, kann ein eventuell Überfallener erst mal gemächlich vor sich hin verbluten, bevor er überhaupt wahrgenommen wird.
Während drei deutsche Patrioten auf ihn eintreten, wünschen die Tresenkräfte jetzt wirklich nicht gestört zu werden. „Kollege kommt gleich!“ hört der mittlerweile Krankenhausreife noch launig rufen, nach 20 weiteren Minuten nähert sich ihm eine der Bedienungen, um ihn anzuherrschen: „Kann ich bei dir schon mal abkassieren?“ – was er aber nicht mehr wahrnehmen muß, denn er ist inzwischen verstorben. Wiglaf Droste
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