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Zahlensalat gefährdet Adlershof

■ Wissenschaftsrat macht Bonner Zuschüsse für Adlershof von den Studienplätzen abhängig. Berlin müsse klären, wieviel Studierende es ausbilden wolle. Wissenschaftsverwaltung glaubt an Projekt

Die Zukunft des Adlershofer Wissenschaftsparks wird immer ungewisser. Der Wissenschaftsrat in Köln, das oberste akademische Gutachtergremium der Republik, sieht sich wegen der Unsicherheit über die Studienplätze in Berlin derzeit nicht in der Lage, für das Vorzeigeprojekt eine Empfehlung abzugeben. Ohne dieses Votum müßte Berlin den 700 Millionen Mark teuren Neubau der naturwissenschaftlichen Fakultäten der Humboldt-Universität allein bestreiten. Daran glaubt niemand.

Nach Informationen der taz hängt die Zögerlichkeit der Kölner Gutachter entscheidend mit der Zahl der Studienplätze zusammen, die das Land künftig anbieten will. Ein Mitarbeiter des Wissenschaftsrats sagte, es gebe offenbar Überlegungen im Senat, die Studienplatzzahl weiter unter die geplanten 85.000 abzusenken. Es liege ihm aber noch kein neues Berliner Studienplatzkonzept vor, „aus dem die Konsequenzen für Adlershof ersichtlich würden“. Die Planungen des Landes seien „ziemlich undurchsichtig“, meinte der Generalsekretär des Wissenschaftsrats, Winfried Benz. Wie berichtet, gehen Experten und sogar die Wissenschaftsverwaltung davon aus, daß die Zahl von 85.000 Studienplätzen nicht zu bezahlen ist.

Die Sprecherin der Wissenschaftsverwaltung, Kerstin Schneider, erklärte auf Anfrage: „Diese Argumentation [mit den Studienplätzen, die Red.] ist uns nicht bekannt.“ Peter Radunski (CDU) baue darauf, daß der Wissenschaftsrat wie geplant im Mai seine Empfehlung für Adlershof abgeben werde. Die Kölner Wissenschaftsevaluierer freilich erklärten, die Frage der Förderung des naturwissenschaftlichen Campus der HUB werde vermutlich erst im November erörtert. Die zuständige Gutachtergruppe wolle erst den gültigen Berliner Landeshaushalt für 1997 abwarten. Zudem wolle sie Auskunft über das akademische Bildungsangebot erhalten. Der Grünen-Abgeordnete Anselm Lange kritisierte den Senat scharf, weil er durch seine „Konzeptionslosigkeit“ Adlershof, die oberste Priorität des Landes, verspiele.

Vom Wissenschaftsrat hieß es, eine Unterstützung für Adlershof könne es erst geben, wenn Berlin seine Vorstellungen klarmache. Das könne auch eine abgemagerte Version des High-Tech-Parks sein, die die neuen Studienplatzzahlen berücksichtige. In der Stadt herrscht über diese Frage Unsicherheit. Der Wissenschaftssenator ließ gestern verbreiten, er halte weiter an den 85.000 gesetzlichen Studienplätzen fest. Die Investition in die integrierte Wissenschafts- und Wirtschaftslandschaft Adlershof gilt als die bedeutendste der Stadt. Die Kosten belaufen sich allein für das Kernstück, den Humboldt-Campus, auf 700 Millionen Mark. Für andere Vorhaben wie den Synchrotonbeschleuniger Bessy II müssen Hunderte von Millionen Mark investiert werden. Das Land erhofft sich von Adlershof, daß es ein innovatives Zentrum wird, an dem Arbeitsplätze für Hochqualifizierte entstehen sollen. Christian Füller

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