■ Eine Behälterrevolution ist 50 geworden: Der Tipptopp-Topf
Manchmal werden Dinge 50 Jahre alt, von denen man meint, sie müßten seit mindestens 15 Jahren auf dem Müllhaufen der Geschichte vor sich hin modern. Die Tupperware gehört dazu. Ich glaube, daß meine Kindheit ohne die phänomenalen Plastikbehälter gar nicht möglich gewesen wäre, oder zumindest hätte ihr wohl etwas Wesentliches gefehlt.
Noch nicht einmal Nudelsalat
In jeder meiner Erinnerungen steht mindestens einer der bunten Pötte herum, der Wurstscheiben oder Kekse, Eintopfreste oder Heringssalat enthält. Tupper war überall. Andererseits habe ich immer geglaubt, daß mit meiner Kindheit auch die Tupper-Zeit zu Ende gegangen wäre. Jetzt ist er 50 geworden, der Topf. So kann man sich täuschen. Vor 20 Jahren gab es in jedem Haushalt mindestens 32 Tupper-Dosen. Niemals besaß jemand nur ein einziges der umwerfend praktischen Gefäße. Trotzdem behielt die Tupperware allzeit den Charme des Exotischen, und das lag vor allem an der merkwürdigen Vertriebsform, mit der man die Töpfe unter die Leute brachte. Sie wurden nämlich auf sogenannten Tupper-Partys verkauft. Es handelte sich dabei eigentlich nicht um richtige Partys, denn weder wurde der Lautstärkeregler der Kompaktanlage auf „volle Pulle“ gedreht, noch wurde ein Nudelsalat bereitgestellt oder ein Riesenkübel Sangria zusammengemixt. Auch Flirts und ähnliche Eskapaden fehlten, da Männern der Zugang zu diesen Partys offenbar grundsätzlich verboten war. Statt dessen trafen sich mehrere Kaffeekränzchen zu Eierlikör und Käsekuchen, um sich von einer Tupper- Vertreterin die wunderbare Welt der Frischhaltebüchsen eröffnen zu lassen. Nichtsdestoweniger hörte ich oftmals ein ausgelassenes Jauchzen und Schnattern, was darauf hinwies, daß auch der Erwerb von Butterdosen aus Plastik ein kapitales Vergnügen darstellen konnte. Die Philosophie der Tupper-Erfinder ist schlicht. Sie lautet: Blutwurst, Joghurt, Schweineköpfe – alles kommt in Tupper- Töpfe! Ob meine Mutter eine Weihnachtsgans oder ein Eigelb luftdicht zu verpacken wünschte, Tupper gab es in allen Größen und sämtlichen denkbaren Formen. Auch tragbare Tortenbehälter, Pfefferstreuer und Kondensmilchkännchen gehörten zum Sortiment.
Blutwurst, Joghurt, alles in Tupper-Töpfen
elbst die hauseigene Herstellung von Wassereis am Plastikstiel machten die Gefäßkonstrukteure möglich. So ist es keineswegs übertrieben, wenn ich behaupte, daß Mr. Tupper den Haushalt meiner Mutter von vorne bis hinten organisierte. Er sorgte nicht nur für eine stets beispielhafte Töpfeordnung im Kühlschrank, sondern auch für Vollbeschäftigung, da meine Erzeugerin sich unablässig verpflichtet fühlte, Kräuterquark und Bohnensalat von einem Behälter in den nächstkleineren umzufüllen. Nur eines wird sie ihm wahrscheinlich nie verzeihen, und das ist die leider sehr dürftige Hitzebeständigkeit seiner Produkte, die sie immer wieder zur schieren Verzweiflung trieb, wenn sie eines dieser famosen, universellen Plastikgefäße auf einer heißen Herdplatte abstellte. Joachim Schulz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen