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Die Müll-Ehe in der Krise

Dank der Rezession geht die Abfallmenge in Berlin zurück. Das wirft Probleme bei der gemeinsamen Entsorgung mit Brandenburg auf  ■ Von Ole Schulz

Früher, als Berlin noch keine Metropole war, war alles einfacher: Der Müll der Stadt wurde nach Brandenburg geschafft, dort kompostiert und landete als Dünger auf den märkischen Äckern. Zu guter Letzt wurde die Ernte dieser Felder auf den Märkten Berlins verkauft – und der Kreislauf war geschlossen.

Die Berlin-brandenburgische Müll-Ehe hat längst Tradition, aber von natürlichen Stoffkreisläufen sind wir heute weit entfernt. Der Müll, den jeder Haushalt tagtäglich in rauhen Mengen produziert, ist höchst umweltschädlich und läßt sich nicht mehr ohne weiteres auf Felder kippen. Unverändert geblieben ist allein der Berliner Umgang mit dem Abfallproblem – frei nach dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn“.

Seit 1974 lagerte West-Berlin seinen Müll auf Brandenburger Deponien, und das „Loch in der Mauer“, durch das der Berliner Müll in die DDR entschwand, ist auch nach dem Mauerfall nicht gestopft worden. Schließlich wurden 1993 die fünf Deponien der 1991 gegründeten Märkischen Entsorgungsanlagen-Betriebsgesellschaft GmbH (MEAB) im Berliner Umland zu gleichen Teilen von den Ländern Berlin und Brandenburg übernommen – und damit auch die Altlasten. Denn die maroden Brandenburger Deponien verfügen weder über Basisabdichtungen noch über Sickerwassererfassungen, so daß Schadstoffe in Boden und Grundwasser einsickern. Die Sanierungskosten, die auf mehrere Milliarden Mark geschätzt werden, sollten laut Vertrag durch die Kippgebühren finanziert werden, welche die „Berliner Stadtreinigungsbetriebe“ (BSR) für den Berliner Müll an die Meab bezahlen. Doch die Sanierung der Deponien ist gefährdet, weil die BSR die angekarrten Müllmengen in den vergangenen Jahren drastisch verringert hat und dadurch auch die Einnahmen der Meab gesunken sind. „Die BSR läßt die Meab am langen Arm verhungern“, diagnostiziert Judith Demba, Müll-Expertin der Berliner Bündnisgrünen.

Wegen ihrer finanziellen Einbußen wehrt sich die Meab auch gegen den Bau einer zweiten Müllverbrennungsanlage (MVA), die die BSR in Neukölln errichten möchte. „Es ist nicht zu erwarten, daß die Kapazitäten der bestehenden MVA in Ruhleben ausreichen, um den anfallenden Restmüll zu bewältigen“, glaubt dagegen Sabine Thümler, Pressesprecherin der BSR. Doch auch aus ökologischen Gründen steht die geplante MVA in der Kritik: „Weil die Anlage mit mindestens 100.000 Tonnen Müll im Jahr ausgelastet sein muß, wird jeder Anreiz zur Müllvermeidung genommen“, beschwert sich Demba. Außerdem sei die Müllverbrennung, beschönigend auch „thermische Behandlung“ genannt, keinesfalls umweltfreundlich: „Ein Drittel des Abfalls bleibt als Asche und Schlacke übrig und muß als nicht verwertbarer Rest aus der Verbrennung deponiert werden; und die hochgiftigen Filterstäube müssen auf Sondermülldeponien endgelagert werden“, so Demba.

Der Streit um das richtige Müllentsorgungskonzept krankt nicht zuletzt an der veralteten Datenlage. Umweltsenator Peter Strieder (SPD) hat versprochen, das lange angekündigte Mediationsverfahren, bei dem die bisherigen Planungen überprüft werden sollen, mit einer neuen Abfallwirtschaftsprognose im Januar in Angriff zu nehemen. 1994 wurden noch 2,4 Millionen Tonnen Hauptstadtmüll für das Jahr 2005 prognostiziert, doch bereits 1995 produzierten die Berliner nur noch 1,6 Millionen Tonnen Müll – 300.000 Tonnen weniger als noch 1992. Der anscheinend kräftige Rückgang ist allerdings weniger der Erfolg einer konsequenten Müllvermeidungspolitik des Senats, sondern liegt vielmehr am Firmensterben im Osten und am geringen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum. Umstritten ist auch die Zuverlässigkeit der offiziellen Zahlen. Judith Demba glaubt nicht, daß sich der anfallende Müll tatsächlich verringert hat: „Er geht nur andere Wege, Bauabfälle werden etwa vermehrt auf schwarzen Kippen illegal entsorgt.“

Statt auf weitere Müllverbrennungsanlagen setzen Bündnisgrüne wie Umweltgruppen auf eine Kombination von Müllvermeidung und der „kalten Verbrennung“, bei welcher der nicht verwertbare Restmüll auf den Deponien durch biologisch-mechanische Verfahren zersetzt wird. Würde zum Beispiel die neue Biotonne mit dem grauen Korpus und dem braunen Biogut-Aufkleber, in der ausschließlich organische, kompostierbare Abfälle gesammelt werden, flächendeckend eingesetzt, ließe sich bis zu 25 Prozent des Siedlungsmülls vermeiden, so Demba. Immerhin hat die BSR seit dem Februar 1996 über 200.000 Haushalte mit der Biotonne versorgt. Doch bis zu einer umfassenden Erschließung aller 1,7 Millionen Berliner Haushalte mit dem Kompostbehälter ist es noch ein langer Weg. Und ob die Berliner die Biotonne annehmen und vernünftig nutzen werden, ist noch offen. Denn bisher haben sie sich sehr stoffelig verhalten, wenn es um praktischen Umweltschutz ging: Berlin liegt nicht nur beim Kauf von Mehrwegflaschen bundesweit auf dem letzten Platz, sondern schneidet bei der Nutzung des Dualen Systems generell schlecht ab – die BerlinerInnen füllen etwa die Gelbe Tonne immer noch zur Hälfte mit Hausmüll, anstatt wie vorgesehen nur ihre Kunststoff- und Metallverpackungen einzuwerfen.

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