■ Querspalte: Innovativ! Modern! Deutsch!
Die Steuerreform kommt. Die Wirtschaft wächst. Die Börse boomt. Und jetzt wird auch noch die deutsche Wirtschaft innovativ. So innovativ, wie es Kanzler Kohl weitblickend seit Jahren fordert. Denn wenn die Wirtschaft etwas erfindet, gibt es neue Produkte, und dann sinkt die Arbeitslosenzahl. Sagt der Kanzler. Und der muß es wissen, denn er wird, wie man weiß, in den nächsten zwei Jahren die Arbeitslosenzahl halbieren. In Frankfurt konnten nun die Innovativsten der Innovativen ihre Preise abholen, gestiftet vom Wirtschaftsminister. Honoriert wurde die Dasa, defizitäre Tochter der Daimler- Benz AG. Und zwar für die Erfindung des TRP, ein Abfallprodukt aus der Weltraumforschung. TRP ist ein Radargerät, das – angebracht an der Stoßstange eines Pkw – Signale aussendet, die das vorausfahrene Auto reflektiert und in einen Bordrechner im Pkw einspeist. So bleibt der Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden gewahrt: „Das Fahrzeug wird automatisch abgebremst und wieder beschleunigt, wenn das Hindernis verschwunden ist.“ Danke, Dasa! Eine Erfindung aus der Abteilung „Krieg der Sterne“ für die Deeskalation im alltäglichen Krieg auf den Autobahnen. So teuer wie ein gutes Autoradio soll der TRP sein. Doch wer soll ihn kaufen? Die echten Raser schaffen sich für das Geld doch lieber einen zweiten Booster für ihre 180-Megawatt- Boxen in den Türverkleidungen ihres BMW an. Das bringt volkswirtschaftlich ohnehin mehr – mehr Umsatz, mehr Verkehrstote, somit weniger Arbeitsuchende.
Und die braven AutofahrerInnen? Die brauchen zwar keinen TRP, machen sich aber trotzdem am Volke schuldig. Denn es gilt: Keine Serienfertigung – keine Arbeitsplätze. Also, keine Ausflüchte!
Schließlich sind selbst die Pförtner zu höchsten Opfern aufgerufen. Der preiswürdige ZN-Face macht's möglich. ZN- Face ist ein „Computer-Guard“, der „mit Hilfe neuronaler Netze“ Gesichter erkennen kann. Eine echte Innovation! Auch wenn die Pförtner sich zukünftig auf dem Arbeitsamt wiederfinden werden. Klaus-Peter Klingelschmitt
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