piwik no script img

Absolut fieberfrei

■ Die Dokureihe "Die Stunden davor..." startet mit einem Bundesligaspiel: "Immer wieder samstags" (So., 0 Uhr, RTL)

Vor dem VIP-Zelt geht ein Stapel Teller zu Bruch, der Manager ist im Streß, das Fanprojekt zieht die Rolläden hoch, die Eckfahnen werden eingesteckt, und ein Fan stellt am Gefallenendenkmal wie jeden Samstag eine Kerze ab, auf daß die Borussia aus Mönchengladbach das Glück nicht verlasse. In der gemütlichen Ruhe des Unspektakulären liegt der Reiz von „Immer wieder samstags“, der ersten einer Reihe von halbstündigen Dokumentationen von Kanal4, die unter dem Titel „Die Stunden davor ...“ eben die letzten Stunden vor Ereignissen festhalten. Der Einsatzleiter der Polizei darf die Kategorien von Fußballfans erklären, der Chef der TV- Produktion den Standort der Kameras, die Spielerfrau ihre Angst vor der Niederlage: „Ansonsten hängt die Stimmung wieder schief.“ Man sieht Putzfrauen in einheitlichem Himmelblau, die Schalensitze abwischen, und die Frau aus der Marketingabteilung ein Gläschen mit dem Sponsor zischen. Der Zeugwart malt akribisch das Ausrüsterlogo auf den Fußballstiefeln nach, doch nur selten entwickeln die Bilder wie in diesem Fall tatsächlich eine zweite Ebene, sagen mehr aus als das, was oberflächlich zu sehen ist.

Meistens herrscht Beliebigkeit. So darf der extra aus der Schweiz angereiste Fan erzählen, wie oft er schon zum Bökelberg gekommen ist, ein paar Schnurrbärte in Grün- Weiß singen einen vor, oder der Marketingleiter sitzt hinter seinem Computer und sondert Plattheiten ab: „Fußball ist die Mediensportart Nummer eins.“ Alle Geschichten werden nur angerissen, was ärgerlich wird, wenn die Thematik eigentlich einen eigenen Film verdient hätte – wie etwa die Wut der Fans über die Merchandising-Politik des Vereins, von der sie sich ausgenutzt fühlen. Man hat schon Dokumentarfilme mit fesselnderen Bildern gesehen, und genau diese altmodische Fernsehästhetik ruft einem den guten alten „Sport- Spiegel“ ins Gedächtnis und eine Zeit, in der man noch nicht mit TV- Sport zugeschissen wurde. Nur leider fehlt „Immer wieder samstags“ jede Dynamik, hat man niemals den Eindruck, daß Hunderte, ja Zehntausende von Menschen im Stadion und drumherum einem Ereignis entgegenfiebern.

Und selbst als die Spieler von Borussia Dortmund aus ihrem Mannschaftsbus steigen, die Taschen unter dem Arm, könnten sie auch auf dem Weg zur Schwimmhalle sein.

Als das Spiel dann schließlich angepfiffen wird und die Kamera aus dem Stadion herausfährt, hat man längst vergessen, was man gerade gesehen hat. Statt dessen interessiert einen höchstens noch, wer das Ding denn nun schlußendlich gewonnen hat. Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen