: Museumsreife Produktionsferne
■ Die Deichtorhallen zeigen die erste vollständige Ausstellung der „Sammlung Froehlich“
„Eine Sammlung definiert den Sammler.“ So steht es im Katalog. Die Ausstellung in den Deichtorhallen zeigt allerdings, daß kaum eine andere Sammlung moderner Kunst so unpersönlich ist, wie die des österreichischen Industriellen Josef Froehlich. Und das, obwohl Joseph Beuys 1982 den Anstoß zum Sammeln gab und weiterhin Maßstab blieb.
Heute zeigt nichts mehr die Nähe des Sammlers zur Kunstproduktion. Ausschließlich hochkarätige und museumsreife Stücke zeigen ein faszinierendes, doch von emotionalen Vorlieben nicht erkennbar bestimmtes Resümee des Kunstschaffens der letzten vierzig Jahre in Deutschland und den USA. Die gesamte Sammlung von Anna und Josef Froehlich - 300 Werke von 19 Künstlern - ist in Hamburg erstmals unter einem Dach zu sehen. Die Deichtorhallen können damit ihre in Europa ziemlich einzigartige Größe ausspielen.
Sammler bestimmen mehr und mehr die jüngste Kunstgeschichte, selbst wenn so schöne Understatements geäußert werden wie: „Wir stellen unsere Sammlung den Ausstellungsmachern zur Verfügung, sie sollen damit machen, was sie für richtig halten.“ Tatsächlich hat Deichtorhallen-Chef Zdenik Felix das Material zu attraktiven Konfrontationen kombiniert, was den ursprünglichen Zusammenhalt der Sammlung noch rätselhafter macht.
Die zwei Säulen der Sammlung sind Joseph Beuys und Andy Warhol. Der deutsche Mythenkünstler und der US-Pop-Künstler – zwei hochdifferente Kristallisationspunkte, die ausschließlich in ihren frühen Zeichnungen ein wenig harmonieren. Die Räume mit insgesamt 53 Beuys-Zeichnungen und Warhols Blattgold-Zeichnungen von 1956/57 sind besondere, selten zu sehende Höhepunkte.
Dazwischen wichtige und grundverschiedene Sammlungsblöcke vom Konstruktivisten Donald Judd und Malerfürst Baselitz, von Lichtbildner Bruce Naumann und Zitatkünstler Sigmar Polke, von Rosemarie Trockel und, ganz zentral, eine Hommage an den jüngst verstorbenen Neonkünstler Dan Flavin. Dabei wird Metaphysik für die deutsche Kunst und Analytik für die US-amerikanische reklamiert, was nicht viel mehr als eine Arbeitshypothese ist, die im Vergleich Bauhaus und Jackson Pollock genauso auch andersherum funktionieren kann und mit den kompletten Drucken und Auflagenobjekten von Palermo gänzlich aufgehoben ist.
Kunsthaltungen, wie sie sich in Sigmar Polkes „Höhere Wesen befahlen, rechte obere Ecke schwarz anmalen“ und Andy Warhols „Elvis, dreifach“ spiegeln, heben sich gegenseitig fast auf und sind jede für sich bereits ein Klassiker. Froehlich hat immer versucht, von den Künstlern, die ihn interessieren, große „Blöcke“ zu bekommen, um den Binnenvergleich eines künstlerischen Werkes zu ermöglichen. Und obwohl der zurückhaltende Wahl-Schwabe Sammeln mit Meerwasser trinken vergleicht: „Je mehr, desto durstiger“, erklärt er mit der umfassenden Präsentation der Sammlungsblöcke die Sammlung im jetzigen Zustand für abgeschlossen.
„Ich finde es schwierig, Künstler zu sammeln, die wesentlich jünger sind als ich. Das Gespräch ist leichter, wenn es sich um die Erfahrungen der eigenen Generation handelt“, erklärt der von Warhol dreifach porträtierte Sammler seine Zurückhaltung gegenüber neuen, ungesicherten Tendenzen.
Vielleicht gerade wegen ihres musealen Charakters ist das internationale Renommee dieser Sammlung so groß, daß die Londoner Tate Gallery ab dem Jahr 2000 einen Großteil der Werke in ihrer neuen Außenstelle, der „Power Station“, zeigen wird. Ein kleiner Teil ging schon jetzt als Leihgabe an die neue „Galerie der Gegenwart“ der Hamburger Kunsthalle. Deshalb findet diese Ausstellung auch parallel zu deren Eröffnung statt, ein „Museum auf Zeit“ zum Vergleich.
Hajo Schiff
“Sammlungsblöcke – Stiftung Froehlich“, Deichtorhalle, bis 13. April, Katalogbuch 282 Seiten, 308 Abbildungen, 39 Mark
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