: War Cindy ihr eigener Bruder?
■ Verwirrung um BSE-Kuh hält an. Landesminister: "Geschlechtsumwandlung". Bundesminister: "Es war die britische Kuh Rita". Staatsanwalt: "Es waren drei"
Berlin (taz/dpa) – Die Herkunft der in Höxter an BSE gestorbenen Galloway-Kuh Cindy bleibt weiter verwirrend. Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Martin Brick, sagte gestern in Schwerin: „Es liegen Unstimmigkeiten bei der Zuchtdokumentation vor“ – in dem mecklenburgischen Betrieb bei Parchim, in dem Cindy geboren wurde. Deren Mutter Camelia hat am 25. Juli 1992 ein männliches Kalb geboren. Der kleine Bulle kam jedoch tot zur Welt. Am 30. Mai 1995 schrieb der Bauer aber an den Zuchtverband und bestätigte auf telefonische Rückfrage des Sachbearbeiters, daß ein Fehler aufgetreten sei. 1992 sei eine lebende Kuh geboren, sie hieße Cindy.
„Das in Höxter verendete Tier trug eine Kennzeichnung für ein Tier, das zunächst als männliche Totgeburt registriert wurde“, faßte der Minister zusammen. „Dann ist das Tier nach einer Geschlechtsumwandlung wieder zum Leben auferstanden.“
Eine mögliche Erklärung für das Wirrwarr will das Bundeslandwirtschaftsministerium gefunden haben. Nach dessen Angaben war Cindy tatsächlich das britische Rind Rita. Bei Rita handele es sich um ein aus Großbritannien importiertes Tier. Bisherige Vermutungen, daß das BSE-Rind in Deutschland geboren worden sei, träfen nicht zu.
Ein Zuchtbuchführer im zuständigen Fleischrinderverband hat laut Landwirtschaftsministerium eingestanden, daß er Eintragungen bei Rindern auf dem Hof des Landwirts Werner Meyer-Bodemann in Mecklenburg-Vorpommern gefälscht habe. Dadurch sei aus dem Importrind Rita das Kalb Cindy geworden.
Der Bauer Meyer-Bodemann aus dem Betrieb bei Parchim, der das ganze Durcheinander verursacht hatte, kann nicht mehr befragt werden. Er ist verstorben.
Laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft Neubrandenburg war die Kennziffer des BSE-Rindes Cindy sogar in die Ohrenmarken von insgesamt drei Rindern eingeprägt. Von den Kühen mit der gleichen Ohrenmarke und Nummer wurde ein Tier als ein aus Großbritannien eingeführtes Rind mit Namen Rita geführt. Somit ist nicht ausgeschlossen, daß später in Ostwestfalen nicht Cindy, sondern Doppelgängerin Rita an BSE erkrankte und starb. Endgültig klären läßt sich der Geburtsort der BSE-Kuh allerdings erst durch die Analyse ihrer Gene. Dabei wird das Erbgut des gestorbenen Tieres mit den Genen des Bullen verglichen, von dem Cindy angeblich abstammt. Die Ergebnisse dieser Analyse stehen noch aus.
Bei der Überprüfung der Zuchtpapiere des Hofes Wagun bei Parchim ist die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg auf eine Fülle von Unregelmäßigkeiten gestoßen. Auf dem Hof sind wiederholt Ohrenmarkennummern vertauscht oder mehrfach vergeben worden. Der Neubrandenburger Oberstaatsanwalt Horst Müller- Praefke rechnet deswegen im Fall Cindy noch mit „langwierigen und komplizierten Ermittlungen“. Von dem Geburtsort von Cindy hängt das weitere Schicksal von rund 14.000 Rindern der sogenannten F-1-Generation ab: Auch diese direkten Nachkommen aus Großbritannien oder der Schweiz importierter Tiere sollen getötet werden, wenn das BSE-Rind tatsächlich in Mecklenburg geboren wurde. Jürgen Voges
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