■ Querspalte: Neulich im linken Milieu
Wenn man als durchaus links genordeter, gleichwohl unabhängiger Kopf die kopfmäßige Diaspora des linken Milieus kritisiert, geht das nicht ohne Blessuren ab. Nennt man etwa den konkret-Herausgeber Gremliza wg. einer extrem stumpfen Attacke gegen Enzensberger – „68 hat ihn reich gemacht!“ – anschließend in der taz einen „Pedanten, ja Pedell“, so wird das postwendend mit konkret-Schreibverbot geahndet – als sei es eine Strafe, nicht mehr in einem Blatt zu veröffentlichen, das seine Autoren nicht nur nicht bezahlt, sondern ihnen bei freundlicher Nachfrage auch noch die alte Rock 'n' Roll-Lüge „Der Scheck ist in der Post“ auftischt, und in dem man gewahr sein muß, wg. irgendwelcher Streitigkeiten anschließend als -oid geschlachtet zu werden.
Auch nicht so gut geht es bei der Tageszeitung junge Welt zu: Die dringende, harsch formulierte Aufforderung an das Blatt, sich wg. einer Durchsuchung durch den Staatsschutz doch bitte nicht peinlich in die Opfer- und Märtyrerbrust zu werfen (Querspalte vom 3.2.), wurde nach dem Schema, daß die Kritik nicht stimmen darf und deshalb der Kritiker ein übler Finger zu sein habe, als „Bewerbungsschreiben eines Mannes, der für High- Tech-Magazine“ arbeite, bezeichnet; dem Autor wurde – wiederum nach Schema F (wie Feind, Fascho, Fasfeißich) – untergeschoben, er habe sich dazu entschlossen, „Frieden mit den Verlagspalästen zu schließen und den steinzeitlichen Hütten den Krieg zu erklären“. (jW, 5.2. 97)
Wenn man sich ein Dutzend Jahre im linken Kommunizieren-heißt-Exkommunizieren-Milieu herumgetrieben hat, ist man viel Gewürge gewöhnt. Aber die Holla-sind-wir-radikal-junge Welt muß sich von ihrem Autoren, der auch Autor der Rot-Grün-ist-irgendwie-besser-als- Kohl-auch-wenn-wir-nicht-sagen-warum-taz ist, schon mal in den selbstgefälligen Hintern treten lassen, ohne ihn dafür gleich als „Staatswichtel“ zu denunzieren. Wer mit Kritik nicht leben kann, der kann nicht leben. (Und wenn überhaupt, muß es „Staatswachtel“ heißen.) Darauf besteht: Wiglaf Droste
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