■ Kommentar: CDU beobachten lassen
Wer hätte das gedacht. Die CDU profiliert sich auf einem ganz neuen Gebiet: dem zivilen Ungehorsam. Maßstabsgetreu auf den Spuren des Ursteuerboykotteurs Henry David Thoreau fordern maßgebliche CDU-Politiker, ein regulär verabschiedetes Steuergesetz nicht anzuwenden. Nur zwei feine Unterschiede trennen die christlich unionierten Rechtsbrecher von Thoreau. Erstens lebte der kauzige US-Amerikaner im Wald und verweigerte sich als freier Mann – die CDU aber ist Regierungspartei. Thoreau mußte zweitens für seinen Steuerboykott ins Kittchen – die CDU aber bleibt Regierungspartei.
Von der Sache her betrachtet macht die Gewerbekapitalsteuer ganz zu Unrecht eine derartige publizistische Karriere. Sie ist, wie nun nach Tagen erhitzter Debatte durchdringt, beinahe eine Bagatellsteuer. Nur wenige Betriebe „im Osten“ werden sie zahlen müssen. Keiner wird deswegen in die Pleite getrieben. Schon gar nicht die kleinen und mittleren Betriebe, über die die CDU vermeintlich ihre Hand hält. Und weil das auch die anderen Bundesländer jenseits der Elbe so sehen, bereiten sie die Erhebung der Steuer vor. Wie denn auch anders!
Politisch gesehen stehen die renitenten Unionsmitglieder für ein interessantes Phänomen: Die früher von der Linken nur mit höhnischem Unterton erwähnte FDGO (freiheitliche demokratische Grundordnung) wird eben von dieser Linken verteidigt. Autonome schützten 1993 das Asylrecht. PDS und Bündnisgrüne verteidigen heute wacker ein Steuergesetz. Die Begehrlichkeit der CDU wächst, die Grundfesten der Republik zu verschieben. Es wird Zeit, Herr Schönbohm, Teile ihrer Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Christian Füller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen