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Antizyklisch zum Ingenieur werden

■ Studie schätzt, daß die Nachfrage nach IngenieurInnen mittelfristig steigen wird

Arbeitslosigkeit bei IngenieurInnen „in der Stärke eines ganzen Absolventenjahrgangs“ – das verlockt nicht gerade zum Studium. Die Beschreibung findet sich in den „Ergebnissen des Ingenieurdialogs“, die Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers im November vorstellte. Ein Jahr lang hatte das Ministerium mit Hochschulen, Wirtschaft und Verbänden gefachsimpelt. 800.000 erwerbstätigen IngenieurInnen stünden 53.000 jobsuchende AbsolventInnen in der Branche gegenüber, kam dabei heraus. In der renommierten Deutschen Hochschul- Zeitung war kürzlich zu lesen, ohne Job seien wohl eher knapp 78.000.

In der Studie des CDU-Ministers wird die Arbeitslosigkeit von IngenieurInnen dagegen als eine Übergangserscheinung aufgefaßt, die standortgefährdende Gerüchte auslöst. So habe „die hohe Zahl arbeitsloser älterer Ingenieure“ zur Folge, daß „junge Menschen aus diesen Familien mit positiven Grundeinstellungen zur Technik“ lieber einen anderen Beruf ergreifen.

Das Ministerium empfiehlt vielmehr eine „antizyklische“ Studienfachwahl. Seit kurzem gibt es nämlich nach Ansicht des Minsters in Deutschland sogar zuwenig AnfängerInnen in Ingenieursstudiengängen: Unter 50.000 im Jahr ist die Zahl der Einschreibungen gefallen. Zudem schließe nur jedeR zweite (Frauenanteil 15 Prozent) das Studium tatsächlich ab, argumentiert „Zukunftsminister“ Rüttgers. Daher werde die Nachfrage nach jährlich 25.000 frisch diplomierten IngenieurInnen bald nicht mehr gesättigt werden können. Die hohe Abbrecherquote stellt er nicht in Frage.

Wollen die Hochschulen überhaupt alle durchbringen? Im Januar-Heft von „Forschung & Lehre“, dem Organ des Deutschen Hochschulverbands, behauptet Wilfried Krätzig, Professor für Konstruktiven Ingenieurbau in Bochum: „Nach meinen langjährigen Erfahrungen verfügen heute weniger als 10 Prozent unserer Studienanfänger über dasjenige mathematische, physikalische, chemische (und biologische) Grundwissen, auf das weltweit moderne ingenieurwissenschaftliche Curricula aufbauen“.

Härtere und erfreulichere Zahlen über die Chancen von IngenieurInnen hat Christiane Konegen-Grenier vom Institut der deutschen Wirtschaft im selben Heft vorgestellt. Sie befragte 300 Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. 28 Prozent erwarten, daß ihr Bedarf an IngenieurInnen in der nächsten Zeit steigen werde, während knapp die Hälfte der Firmen einen gleichbleibenden Bedarf prophezeite. Wer sich durch diese Zahlen zum Studium bewegen läßt, könnte folgende Unterscheidung beachten: 16 Prozent der befragten Firmen sagen einen wachsenden Bedarf an Uni-Absolventen voraus, bei FH-Absolventen erwarten dies knapp 40 Prozent.

Uni-Absolventen gelten bei den Firmen als „Generalisten“ und „Theoretiker“, erfuhr Konegen- Grenier in den Antworten. Die FH-Absolventen seien dagegen besonders gefragt, weiß Ebba Schiel, Pressereferentin der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg, „weil sie durch großen Praxisbezug sehr schnell einsetzbar sind“. Eine der Ursachen ist der größere Praxisanteil des Studiums. An der FH Nürnberg etwa müssen zwei von mindestens acht Semestern in der Praxis zugebracht werden. „Persönliche Zugänge zu Praktikumsgebern“ haben nach Schiels Kenntnis oft den Weg zu einer Stelle gebahnt – ob es sich nun um Kontakte der Studierenden selbst handelt oder um Beziehungen, die die Profs spielen lassen.

„Auch soziale Kompetenzen und Teamfähigkeit werden heute stark gefordert“, weiß Schiel über die Wünsche der Firmen. Und der Rüttgers-Bericht vermeldet, daß „produktbegleitende Dienstleistungen wie Projektierung, Beratung, Finanzierung und Schulung ... immer wichtiger“ werden. Da läßt selbst der ärgste Sexist Frauen ran. „Die Erhöhung des Frauenanteils im Ingenieurbereich wird aufgrund der besonderen Eignung von Frauen für diese neuen Anforderungen im Bereich der Ingenieurberufe als erstrebenswert angesehen“, freut sich auch der Minister. Matthias Fink

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