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Das Skandalon muß sichtbar bleiben

Bei der Debatte um den Standort des Holocaust-Denkmals gab es heftige Kontroversen und einen Auszug  ■ Von Anita Kugler

Der kürzeste Beitrag auf dem zweiten Kolloquium zur Realisierung eines Mahnmals für die ermordeten Juden in Europa kam am späten Freitagnachmittag von Wolfgang Bergsdorf. Er habe während der stundenlangen Ausführungen der Experten zum Thema „städtebauliche Einbindung“ des Denkmals keine „überzeugenden Argumente“ gehört, warum es nicht, wie vorgesehen, südlich des Brandenburger Tors gebaut werden könne. Der Bund habe dem Land Berlin dieses Gelände eigens dafür zur Verfügung gestellt. Ein neuer Standort, etwa im zukünftigen Regierungsviertel, würde aufwendige Machbarkeitsstudien nach sich ziehen und zu einem neuen Wettbewerb führen. Damit wäre der vorgesehene Termin für die Grundsteinlegung am 27. Januar 1999 hinfällig. Zu all dem „ist Bonn sicher nicht bereit“.

Die deutlichen Worte sprach Wolfgang Bergsdorf für die Bundesregierung. Die ist, neben dem Land Berlin und dem Mahnmal- Förderkreis um die Journalistin Lea Rosh, einer der drei Auslober des 1995 entschiedenen künstlerischen Wettbewerbs. Wenn also er, der Berliner Kultursenator Peter Radunski (CDU) und am entschiedensten die Bonner FDP- Haushaltsexpertin Ina Albowitz sagen, daß die 70 KolloquiumsteilnehmerInnen aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik über alles mögliche diskutieren können, bloß nicht über einen alternativen Standort – weil dieser das gesamte Projekt zum Scheitern bringen würde –, heißt das nichts anderes als: Entweder kommt das Denkmal dorthin, wo der Bund es haben will, oder es kommt überhaupt nicht. Bei dieser Aussicht kann man als Experte, der der Meinung ist, der Wettbewerb ist gescheitert, weil der Ort der falsche war, gleich nach Hause gehen.

Julius Schoeps, Leiter des Moses-Mendelsohn-Zentrums in Potsdam und mit Sinn für Auf- und Abgänge, machte dies schon zur Halbzeit: „Ich lasse mich nicht als Alibi für einen verfehlten Wettbewerb mißbrauchen. Deshalb verlasse ich das Kolloquium.“ Kurz darauf folgten ihm die Publizistin Rachel Salamander und etwas später der Architekt Salomon Korn. Alle drei gehören zu den zwölf Unterzeichnern eines „Offenen Briefes“ an den Berliner Kultursenator. Darin fordern sie eine Debatte ohne festgelegte Prämissen und schlagen einen neuen Standort im Bereich des zukünftigen Regierungsviertels vor. „Wir wollen keine Betroffenheitsinsel zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen“, faßte der Kunsthistoriker Walter Grasskamp die Argumente für einen Standortwechsel zusammen, „sondern einen politischeren Ort.“

Bevor Korn den Saal verließ, wollte er noch von Radunski wissen: „Stimmen Sie mit Frau Süssmuth überein oder nicht? Bitte, antworten Sie getreu dem Bibelzitat: ,Deine Rede sei ja, ja, nein, nein‘“. Die Antwort von Radunski: „Dies ist kein Verhör.“ Es war seine klarste Antwort an diesem Tag, aber immerhin eine halbe Distanzierung von Rita Süssmuth.

Denn die Bundestagspräsidentin hatte zuvor in einem ungewöhnlich persönlichen Beitrag versucht, die von Beginn an spürbare Gereiztheit zwischen den Auslobern einerseits und der Expertenmehrheit andererseits zu mildern. Sie wolle die Realisierung des Denkmals nicht gefährden, sagte sie, aber sie habe auch Verständnis für die, die einen „symbolischeren“ Ort wollen. „Womöglich gibt es gute Argumente für einen anderen Standort“ und auch für ein „neues, zweistufiges Wettbewerbsverfahren.“ Das geplante Denkmal müsse einerseits „stiller, kleiner, bescheidener“ als die prämierte Grabplatte ausfallen, andererseits aber „radikal, eindringlich und provozierend“ werden: „Das Skandalon muß als Skandalon sichtbar sein.“ Und warum dafür „ein vom Verkehr umtoster Ort der einzig richtige ist“, wisse sie nicht. „Da habe ich Bedenken!“ Es war ein Beitrag, den Radunski mit Kopfschütteln quittierte. Vermutlich kennt er seine Parteigenossen in Bonn gut genug, um zu wissen, daß die Mehrheit des Deutschen Bundestags mittels Haushaltsrecht ein „Skandalon“ in Sichtweite zu verhindern weiß. Nicht nur Ina Albowitz argumentierte so, auch der Abgeordnete der Grünen, Volker Beck. Ob genau dies ein zusätzlicher Grund für die zwölf Briefschreiber ist, das Denkmal in der Nähe des alten Reichstags zu wollen, wurde nicht deutlich.

Richtig anfreunden mit dem Gedanken, den vorgesehenen Standort aufzugeben, konnten sich hingegen als Erzkonservative bekannte Politiker. Aus anderen Gründen, versteht sich. Es waren dies der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Rupert Scholz und der Bausenator Jürgen Kleemann, auch CDU. Böse Stimmen sagten, daß sie damit zum einen den maroden Berliner Haushalt durch den Verkauf des teuren Baugrunds sanieren, zum anderen das ungeliebte Denkmalsprojekt auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben wollen.

So schwierig ist Politik, konnte man am Freitag lernen. Während die Mehrheit der Experten aus verschiedensten Gründen dem Wiener Architekten und Erbauer der Kunsthalle in Bonn, Gustav Peichl, zustimmten, als er dem Kultursenator zurief: „Machen Sie daraus keine Alibiveranstaltung, sondern ein Rettungskolloquium“, scheint sich abzuzeichnen, daß die Auslober ihr Projekt durchpauken, damit überhaupt was passiert. Daß dafür jedes schlechte Argument gut ist, führte Lea Rosh vor. Als Einwand gegen den Standort im Regierungsviertel fiel ihr die Widmung über dem Reichstag ein: „Dem Deutschen Volke“. Würde das Denkmal in dieser Nähe stehen und nicht nah bei der Hitlerschen Reichskanzlei, würde „Falsches“ festgeschrieben: Denn nicht „die Deutschen haben die Juden ermordet, sondern die Nazis waren es“.

Die dritte Diskussion, über die Ikonographie des Mahnmals, findet am 14. April statt

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