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Press-SchlagOde an den Mammon

■ Neue Wege der Geldbeschaffung bei den Winterspielen 1998 in Japan

Tapfer hatten die Organisatoren der Olympischen Winterspiele 1998 im japanischen Nagano lange Zeit jedwede Geldprobleme geleugnet und darauf verwiesen, daß das benötigte Budget zwar immer größer werde, dafür aber die segensreiche Yen-Abwertung gegenüber dem Dollar für viel höhere TV- und Sponsoreneinnahmen sorgen wird als ursprünglich kalkuliert. Gut ein Jahr vor Beginn der Spiele häufen sich jedoch die Indizien dafür, daß Nagano mit erheblichen Problemen zu kämpfen hat.

Die anfänglich mit 76 Milliarden Yen angesetzten direkten Kosten für die Spiele werden mit ziemlicher Sicherheit die Marke von 100 Milliarden Yen (1,35 Milliarden Mark) überschreiten, hinzu kommen 1,43 Milliarden Mark öffentliche Gelder für den Bau von Wettkampfstätten.

Bei diesen Summen sind noch nicht Veränderungen berücksichtigt, die unzufriedene Funktionäre der Wintersportverbände fordern. Die Abfahrtspiste müsse verlängert werden, sagen die einen, Flutlicht an den Sprungschanzen wollen die anderen. Die Halle für das attraktive Eishockeyturnier mit den besten NHL-Spielern sei zu klein, schimpfen die Eishockeyverbände, und die Funktionäre des Eiskunstlaufverbandes drohen gar damit, ihre Wettbewerbe zu verlegen, wenn sie nicht bessere Hotels angeboten bekämen.

„Ich höre nur schlechte Nachrichten“, sagt Hironoshin Furuhashi, der Präsident des japanischen NOK, und fürchtet, daß die Spiele „nicht erfolgreich“ werden. „Die Organisatoren sind exzellent“, findet er, aber es sei eben ihre erste Erfahrung mit der Ausrichtung Olympischer Spiele. Ergo: „Sie haben wenig Ahnung.“

Schlechte Nachrichten hören auch die 2.000 Mitglieder des Chores, der am Ende der Eröffnungsfeier Beethovens „Ode an die Freude“ in den Himmel von Nagano schmettern soll. Während ihre über Satellit eingeblendeten Sangeskollegen aus fünf Erdteilen sowie die Musiker des Bostoner Symphonischen Orchesters mit ihrem Dirigenten Seiji Ozawa wohl gerade noch umsonst davonkommen, sollen die leibhaftig anwesenden Choristen 20.000 Yen (rund 270 Mark) Eintritt pro Person zahlen. Die Organisatoren finden diesen Betrag angesichts des fast doppelt so hohen regulären Kartenpreises ziemlich günstig, die Sänger weniger. Sie fragen sich nicht ganz zu Unrecht, wie sie mit einem gerade geplünderten Portemonnaie in der Tasche überzeugend ihrer Freude stimmlichen Ausdruck verleihen sollen.

Es ist jedoch kaum zu erwarten, daß sich das Organisationskomitee seine glänzende Idee zur Geldbeschaffung ausreden läßt. Eher ist damit zu rechnen, daß auf dem chormäßig gelegten Fundament weiter aufgebaut wird. Was spricht dagegen, jene berühmten Sumo-Großmeister, die während der Eröffnung rituelle Übungen in traditioneller, also ohne, Kluft darbieten, für ihre frostige Performance zur Kasse zu bitten – und zwar nach Gewicht. Das Rezitieren des Olympischen Eides wäre mit, sagen wir, 200.000 Yen keineswegs unterbezahlt, das Tragen der Olympischen Flagge könnte mit 50.000 Yen pro Person zu Buche schlagen, das Hissen mit 100.000 Yen, und das prestigeträchtige Entzünden der Olympischen Flamme sollte dem Auserwählten schon eine schlappe Million wert sein.

Da das großmütige Versprechen, die Athleten umsonst nach Nagano zu befördern, welches 1991 nicht unmaßgeblich den Sieg über Salt Lake City bewirkt hatte, ohnehin längst ad acta gelegt ist, gibt es keinen Grund, auf Teilnehmergebühren zu verzichten. Olympiasieger zahlen einen Topzuschlag, dafür werden sie ja schließlich berühmt.

Solchermaßen dürfte dem finanziellen Erfolg der Spiele nichts mehr im Wege stehen, und Juan Antonio Samaranch, der einzige, der unerschütterliches Vertrauen zu seinen japanischen Vasallen bewiesen hat, darf sich bestätigt sehen. „Diese Spiele werden ein großartiger Sieg für Japan, Nagano und die Olympische Bewegung sein“, hat der IOC-Präsident kürzlich postuliert. Allerdings, bevor er den Preis für seine Dauerkarte erfahren hat. Matti Lieske

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