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Das PortraitDie Hardware zur Idee der Revolution

■ Kalaschnikow

Russische Fertigwaren können sich nur in den seltensten Fällen auf dem Weltmarkt behaupten. Einziger Markenartikel, der dem US-Imperialisten Coca-Cola an Produktakzeptanz und Nachfrage in nichts nachsteht, ist das AK-47, eher bekannt unter dem Namen Kalaschnikow. Das strapazierfähige Schnellfeuergewehr feiert dieser Tage sein fünfzigstes Jubiläum, das Millionen seiner begeisterten Nutzer nicht mehr erleben sollten. 70 Millionen Exemplare vertrieben die Sowjetunion und Rußland sozusagen als Hardware-Dreingabe zur ideologischen Software des Revolutionsexports in die hintersten Ecken vornehmlich weniger entwickelter Regionen auf der südlichen Erdhalbkugel.

Rußlands stärkstes Argument überzeugt durch seine Einfachheit. Lediglich neun bewegliche Teile vervollständigen die Wunderwaffe. Bei der Kalaschnikow mag kommen, was wolle, nichts klemmt, blockiert, quietscht, eiert, verweigert die Paßform oder fällt einfach auseinander. Ihre Benutzerfreundlichkeit erntete reichhaltigen Dank. In Burkina Faso schmückt die AK-47 mehrere Briefmarken, die Hisbollah erhob sie zu ihrem Logo, in Mosambik integrierte man sie in die Nationalflagge, in Nicaragua schmückt sie eine zentrale Statue der Hauptstadt.

Ihren Namen erhielt sie von ihrem Erfinder Michail Kalaschnikow. Der 77jährige Rentner erinnert sich: „Als ich während des Krieges im Lazarett lag, hörte ich die anderen sich immer darüber beklagen, daß die Deutschen bessere Waffen hätten.“ Der Ingenieur wollte Abhilfe schaffen. „Ich mußte für den einfachen Soldaten eine Waffe bauen, die einfach, robust und besser als alle anderen in der Welt sein sollte.“ Gesagt. Getan.

Aber erst zwei Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg lief die Serienproduktion in Ischewsk an. Sobald jemand eine bessere Waffe erfindet, wolle er dessen Hand schütteln, so der Rentner. Er ist selbstbewußt genug zu wissen, daß er das wohl nicht mehr erleben wird. Der Staat dankte ihm seine Leistung mit einem Generalstitel, aber ohne einen lumpigen Rubel Erfinderlohn. Sein Talent war volkseigen.

Michail Kalaschnikow bezieht eine mickrige Rente und lebt in einer Zweizimmerwohnung in Ischewsk, wenn er nicht gerade stolz herumgereicht wird. Klaus-Helge Donath,

Moskau

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